
Das Kloster Oberzell kann auf eine fast 900-jährige klösterliche Vergangenheit zurückblicken. Eine bewegte Geschichte vom ersten Prämonstratenserorden in Süddeutschland über industrielle Nutzung nach der Säkularisation bis hin zur heutigen, modernen Frauengemeinschaft. Einige Meilensteine prägten das weitläufige Gelände ganz besonders – diese möchten wir Ihnen hier vorstellen.
Inspiriert vom Hl. Norbert von Xanten
Norbert von Xanten gründete 1121 mit 13 Gefährten in Prémontré in Frankreich den Prämonstratenserorden. Männer und später auch Frauen lebten in Norberts Kloster nach dem Vorbild des Urchristentums in Armut, Gemeinschaft und Hilfsbereitschaft. Das weiße Bußkleid, das Norbert schon länger trug, wurde zur Tracht. Norbert selbst war aber nur selten in Prémontré. Er wanderte durch Städte und Dörfer und predigte vor allem vor einfachen Leuten, aber auch vor Adeligen – so führte ihn sein Weg an Ostern 1126 nach Würzburg.
Bei einem Gottesdienst im Dom soll er der Legende nach eine blinde Frau geheilt haben. Das wiederum inspirierte die Brüder Johannes und Heinrich: Die Würzburger tauschten ihren Besitz mit dem damaligen Bischof Embricho und erhielten 1128 das Klostergrundstück. Johannes hatte zuvor im Würzburger Domstift ein geistliches Amt inne und wurde zum ersten Vorsteher (Propst) des Klosters. Den Beginn des monastischen Lebens markiert eine bischöfliche Urkunde von 1130, drei Jahre später erhielt die junge Gemeinschaft auch die päpstliche Bestätigung. In Zell war damit die älteste Niederlassung des Prämonstratenserordens in Süddeutschland beheimatet. Die ersten Gebäude waren sicher nur provisorisch gebaut, die Kirche wurde aber offensichtlich sehr bald errichtet – um 1150 war sie fertig.

Frauenkonvent, Bauernkrieg und Reformation
Um 1230 trennten sich die Nonnen von den Männern und zogen etwas weiter mainabwärts. Seither hießen die beiden klösterlichen Orte Ober- und Unterzell. Der damalige Bischof von Würzburg, Hermann I. von Lobdeburg, hatte den Frauenkonvent verlegt. 1525 plünderten aufständische Bauern im Bauernkrieg das Kloster.
Bis zur Reformation gehörten zahlreiche Frauenklöster zu Oberzell (unter anderem Frauenroth, Gerlachsheim, Hausen bei Bad Kissingen, Michelfeld, Schäftersheim und Sulz). Auch die Patronatsrechte über einige Pfarreien im Ochsenfurter Gau lagen bei Oberzell (Gerlachsheim, Gaukönigshofen, Acholshausen, Wolkshausen und Hettstadt). Der Prämonstratenserorden in Oberzell schien sogar eine eigene Schreibstube besessen zu haben, da eine Schule wie auch Urkundenschreiber nachzuweisen sind. Allerdings blieben nur wenige Handschriften erhalten, was den zahlreichen Plünderungen vor allem während des Bauernkrieges zuzuschreiben ist.
In der Zeit der Reformation im 16. Jahrhundert erlebte Oberzell einen Niedergang, der Konvent hatte damals deutlich weniger als zehn Mitglieder.

Aufschwung, Krieg und neuer Glanz
Mit dem Amtsantritt von Abt Leonhard Frank 1614 erlebte Oberzell seinen ersten Aufschwung. Er kümmerte sich um die Klostergebäude und ließ die Konventskirche ausbessern und wölben.
Als im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) die protestantischen Schweden in das katholische Würzburg einfielen, floh Abt Leonhard wie viele andere Prälaten aus der Region. Er blieb bis Dezember 1634 im Exil und kehrte dann in die zerstörte Abtei zurück. Nach dem Ende der schwedischen Herrschaft trieb Abt Leonhard den Wiederaufbau der in Mitleidenschaft gezogenen Klostergebäude voran. Nur noch sechs Priester lebten um 1640 im Oberzeller Prämonstratenser-Konvent. Alle Vorräte mitsamt der Bibliothek wurden weggeschafft, das Kloster weltlichen Verwaltern unterstellt und sämtliche Einkünfte den Offizieren des schwedischen Heeres als Ehrensold überlassen. Der Orden konnte die Kriegsfolgen nur langsam überwinden.
Nach Abt Leonhard übernahm Gottfried Bischof die Leitung in Oberzell. Die Abtei erholte sich langsam. Abt Gottfried förderte vor allem die wissenschaftliche Tätigkeit seiner Brüder. Er gründete sogar ein Studienkolleg, um den Männern ein Universitätsstudium zu ermöglichen. Im 17. und 18. Jahrhundert brachte das Kloster Oberzell eine Reihe Gelehrter hervor, die vor allem auf mathematisch-naturwissenschaftlichem Gebiet einen guten Ruf hatten. Aber auch Oberzeller Kanzelredner und Theologen waren über die Klostermauern hinaus bekannt und beliebt – einer von ihnen war Abt Oswald Loschert, der in ganz Mainfranken als bedeutender Wissenschaftler galt. Oberzell erreichte in dieser Zeit den Höhepunkt seines Glanzes, das zeigte sich auch in der Bautätigkeit. 1798, kurz vor der Säkularisation, lebten 57 Patres und zwei Laienbrüder in der Abtei Oberzell.

Hart getroffen von der Säkularisation
Nach der Schlacht um Würzburg (1796) wurdeim Kloster Oberzell ein Lazarett für die österreichischen Truppen eingerichtet, 1801 folgten französische Soldaten. Am 4. Dezember 1802 wurde die Abtei säkularisiert, der gesamte Klosterbesitz fiel an Max Joseph Kurfürst von Bayern. Am 1. Oktober 1803 mussten der damalige Abt Christoph Kroh und sein Konvent das Gelände verlassen. Der gesamte Besitz wurde enteignet, Viehbestand und Hausrat, Kirchenschatz und Musikinstrumente sowie die wissenschaftlichen Sammlungen versteigert: Weinberge, Wiesen, Garten, Wald, Höfe und Häuser in Waldbrunn, Moos, Eßfeld und Würzburg. Gemälde und Mobiliar wurden verteilt und selbst ein Teil der Urkunden und Handschriften ging verloren.
Der kurfürstliche Galerieinspektor Christoph Fesel wählte immerhin 18 Bilder aus, welche in die Hofgartengalerie in München verschickt wurden. Altäre, Teile des Chorgestühls sowie Beichtstühle kamen in die Kirche von Sulzthal im Landkreis Bad Kissingen, die Hauptorgel landete in der Stadtpfarrkirche von Lohr am Main. Die Abtei Oberzell fiel letztlich in den Besitz des Staates. Auch das Frauenkloster Unterzell wurde aufgelöst und verkauft. Das reiche Ordensleben in Bayern fand mit der Säkularisation ein fast vollständiges Ende.
Der damalige Großherzog überließ das Hauptgebäude der ehemaligen Abtei Oberzell bald dem Würzburger Juliusspital, das dort eine „Anstalt für Epileptiker und Geisteskranke“ einrichten sollte. 1806/1807 kaufte die Würzburger Bankiersfamilie Hirsch die Ökonomie und ließ 1812/1813 das sogenannte Schlösschen bauen. In der gleichen Zeit wurde im Kloster, das inzwischen erneut leer stand, ein Lazarett eingerichtet. 1850 verkaufte auch die Familie Hirsch ihren Besitz auf dem Oberzeller Gelände an das Juliusspital.

Verkauft an die Industrie
Das Vorhaben des Staates, Grundstück und Gebäude der ehemaligen Abtei möglichst gewinnbringend zu verkaufen, war schwieriger als gedacht. Es folgten einige Besitzerwechsel. Erst 1817 erkannten Friedrich Koenig und sein Freund und Mitarbeiter Andreas Bauer ihre Chance, auf diesem Gelände ihr Unternehmen zu gründen. Sie kauften das komplette Areal samt der Gebäude und starteten hier mit ihrer Druckmaschinenfabrik Koenig & Bauer.
Auf alten Fotos sieht man die riesigen Maschinen und schweren Geräte im Kirchenraum und im historischen Klostergebäude. 1901 zog das Unternehmen in neu errichtete Fabrikgebäude auf der andere Mainseite um.

Wiederbelebt von Antonia Werr
Die Würzburgerin Antonia Werr (1813-1868) war sich nach einer langen Suche inzwischen ihrer Aufgabe sicher und mietete das leerstehende Schlösschen. An Pfingsten 1855 eröffnete sie hier mit vier Helferinnen ihre „Rettungsanstalt für strafentlassene und verwahrloste Personen des weiblichen Geschlechts“. Die Gründungsmitglieder erhielten ein klösterliches Gewand, damit sie als religiöse Gemeinschaft erkennbar waren.
Einen wichtigen Freund und Berater hatte Antonia Werr im Staatsrat Maximilian Freiherr von Pelkhoven (1796-1864) gefunden. Oft entwarf er Gesuche und Eingaben an die Behörden, überprüfte selbst die Statuten und machte verbessernde Vorschläge. Er war von den Absichten Antonia Werrs überzeugt und stand voll und ganz hinter ihrem Vorhaben. Ein weiterer bedeutender Unterstützer Antonia Werrs war Pater Franz Seraph Ehrenburg (1823-1889). Der Franziskaner-Minorit war der erste geistliche Begleiter der Oberzeller Frauengemeinschaft. Mit seiner Hilfe legte Antonia Werr die geistlichen Grundlagen ihres Ordens fest.
Bald war die Gemeinschaft in Oberzell so stark angewachsen, dass Antonia Werr ein neues Anwesen brauchte. 1855 erwarb sie das ehemalige Wirtshaus „Zu den zwei guten Greifen“ oberhalb des Klosters am Fuß der Hettstadter Steige. Aus dem Tanzsaal wurde eine Hauskapelle, das Gasthaus diente künftig als Erziehungsheim und Mutterhaus.

Aufgewertet und als Lazarett genutzt
Nachdem die Firma Koenig & Bauer 1901 in ihre neuen Fabrikgebäude umgezogen war, stand das stattliche Klostergebäude erneut leer. Die Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu nutzten diese Chance: Mit dem Kauf der Klosteranlage begannen sie zwischen 1901 und 1905 eine umfangreiche Restaurierung mit dem Ziel, das Kloster wieder in seiner barocken Form glänzen zu lassen. Bereits am 12. Oktober 1902 wurde das Haupthaus unter dem Namen "St. Norbertusheim" gesegnet. Ein paar Wochen später, am 29. November, verlegten die Schwestern ihre Haushaltungsschule in das neue Heim und am folgenden Tag feierten sie im Kloster Oberzell nach 100 Jahren erstmals wieder eine heilige Messe - allerdings nur in der früheren großen Sakristei.
Ab Juli 1903 widmeten sich die Schwestern der Kirche, die unter der industriellen Nutzung stark gelitten hatte. Am 28. März 1905 zwischen 15 und 16 Uhr läuteten erstmals wieder die Glocken, am 16. September 1905 folgte die feierliche Einweihung der restaurierten Kirche.
Ein zusätzliches Gebäude entstand 1914 am Eingang zum Garten. Es wurde während des ersten Weltkrieges als Lazarett und erst ab 1919 in seiner eigentlichen Bestimmung als Noviziatshaus genutzt.

Mehr Platz im neuen Mutterhaus
Bis 1923 blieb das ehemalige Gasthaus in der Frankfurter Straße das Mutterhaus der Gemeinschaft. Doch der Platz im Antoniushaus wurde immer enger. Außerdem sollte die Fürsorgeanstalt vergrößert werden. Aus diesen Gründen verlegte die Kongregation ihr Mutterhaus am 1. November 1923 in das St. Norbertusheim.
Ein Teil der Räume in der Frankfurter Straße wurde für die Fürsorgeanstalt genutzt, der andere Teil als Wohnung für die Kranken und Alten sowie für die im Ökonomiebetrieb beschäftigten Schwestern.

Aufbruch nach Amerika
Bereits 1925 hatte sich die Kongregation bereit erklärt, in die Mission zu gehen. Es gab mehrere Anfragen von Franziskaner-Brüdern, die um Schwestern zur Haushaltsführung in amerikanischen Seminaren und Konventen baten. Die erste Bitte musste abgewiesen werden. 1928 fragte der Provinzial der Würzburger Franziskaner bei der damaligen Generaloberin Sr. Bonaventura Frank nach, ob fünf Schwestern für das St. Francis Seminary in Staten Island (New York) gestellt werden könnten.
Am 26. März 1929 traten die Schwestern Josephine Döll (Hauswirtschafterin), Praxedis Zirkelbach (Wohlfahrtspflegerin), Iphigenia Glaser (Hauswirtschafterin), Euphemia Schug (Köchin) und Andrea Tremel (Hauswirtschafterin) diese erste große Reise an. Zunächst ging es nach Hamburg, wo sie in den Dampfer „St. Louis“ stiegen. Ein Telegramm verkündete am 9. April in Oberzell: Die Schwestern sind gut in Staten Island, New York angekommen.

Neue Heimat Oberzell
Die Gemeinschaft von Antonia Werr gedieh trotz aller Schwierigkeiten: 1931 lebten mehr als 900 Schwestern in über 100 Filialen. Dabei wurde neben der religiös-geistlichen Eignung auch großer Wert auf die fachliche Qualifikation gelegt, was für Frauen in dieser Zeit keineswegs selbstverständlich war.
Papst Pius XI. erhob die Gemeinschaft 1936 zu einer Kongregation päpstlichen Rechtes. Als Mutter Baptista Franke ihr Amt übernahm, „verhüllten die Schatten des 2. Weltkrieges bereits beängstigend die Zukunft“, heißt es in der Chronik des Klosters. Im Herbst 1940 suchten viele Menschen Schutz im Kloster Oberzell. Auch das beschreiben die Schwestern in ihrer Chronik: „Wir wollen im Geist Christi unsere Pflicht an den Ankommenden tun und den Mut trotz der neuen Sorgen nicht verlieren.“
Die Bombardierung Würzburgs im März 1945 schildern die Schwestern auch: „... dumpfe Detonationen, die etwa 20 Minuten anhielten... Die schauervolle Nacht wurde zum erhellten Tag, die Stadt Würzburg zum Flammenmeer... Wir waren in banger Sorge um unsere Schwestern in den verschiedenen Häusern. In dieser grauensvollen, leiderfüllten Schreckensnacht wurde auch unsere Kongregation von schweren Schicksalsschlägen heimgesucht.“
Besonders schwer traf es das St. Anna Heim am Ludwigskai: „Gleich zu Beginn gingen Brandbomben nieder, denen wahrscheinlich eine Luftmine folgte, so dass dasselbe in sich zusammenstürzte, die im Luftschutzkeller befindlichen Heimbewohner unter sich begrabend, mit diesen auch 12 Schwestern.“ Das Haus Nazareth in der Peterpfarrgasse brannte vollständig aus. Drei Schwestern konnten dort nicht geborgen werden: „Sie wurden ein Opfer der Liebe. Sie blieben mit den alten Damen im Keller. Der Keller war vollständig ausgebrannt. Man konnte nur noch Spuren der Rosenkränze finden.“
Oberzell, im Zweiten Weltkrieg erneut als Lazarett genutzt, wurde nach der Zerstörung Würzburgs für mehrere Jahre sogar zum Mittelpunkt der Diözese. Bischof Matthias Ehrenfried und sein Nachfolger Julius Döpfner wurden hier mit Domkapitel und Ordinariat von April 1945 bis Januar 1950 aufgenommen.

Aufbruch nach Südafrika
Im Oktober 1951 flogen „Mutter Assistentin M. Lotharia Wehner und Schw. M. Alberta Fasel zu einer Informationsreise nach Südafrika“, heißt es in der Chronik des Klosters. Der Bischof bat die Oberzeller Schwestern um die Übernahme einer Missionsstation in Eshowe. Schwester Lotharia kehrte im November allein aus Südafrika zurück. Sr. Alberta war dort geblieben, „zum Studium der Sprache im Zululand“.
Offiziell wurden im November 1952 die ersten Oberzeller Missionarinnen ausgesandt: die Schwestern Daria Heppt, Urbana Reinwand, Godefrieda Miller und Cäcilia Mergenthaler. Die Klostergemeinde versammelte sich am Hauptportal zum Abschiedsgruß. Für die Schwestern ging es mit der Bahn nach Venedig zum Hafen. Insgesamt waren sie drei Wochen unterwegs bis sie in Südafrika ankamen.

Eigene Mittelschule und Montessori-Einrichtungen
1956 startete der Bau der Antonie-Werr-Schule (dreistufige Mittelschule) auf dem Klostergelände. Der Internatsbau grenzte direkt an die ehemalige Haushaltungsschule an (bereits 1954 war eine Mittelschule im Klostergebäude eingerichtet worden). Schon ein Jahr später zogen 61 Mädchen ein. Das Haus beinhaltete drei Lehrsäle, einen Schreibmaschinen-, einen Zeichen- und einen Handarbeitssaal, außerdem ein Physikraum sowie Veranstaltungs- und Speisesaal, Sprechzimmer und Verwaltungsräume. In den oberen Stockwerken waren die Schlafgelegenheiten für 80 Schülerinnen. 1959 wurde aus der Mittelschule eine vierstufige Realschule und nur wenige Jahre später entschieden sich die Oberzeller Schwestern für eine neue Nutzung: die Berufsfachschule für Hauswirtschaft zog ein.
Seit Juli 1995 ist das Gebäude nun an den Montessori Trägerverein Würzburg e.V. vermietet. Kinderhort, private Grund- und Mittelschule inklusive M-Zweig und die angegliederte Fachoberschule können hier heute besucht werden.

Von der Fürsorge-Anstalt zum Antonia-Werr-Zentrum
1965 zog die alte Fürsorge-Anstalt von Oberzell nach St. Ludwig bei Schweinfurt. Der Ursprung von St. Ludwig liegt in den hier vorkommenden Quellen. Schon 1810 ließ der Schultheiß von Wipfeld die bekannten Schwefelquellen auf dem heutigen St. Ludwiger Grund fassen. 1828 wurde ein großes Kurhaus gebaut, in den Jahren von 1850 bis 1880 sollen hier jährlich bis zu 400 Kurgäste gezählt worden sein. Auf Dauer aber war das Gebäude zu klein.
Um die Jahrhundertwende richteten sich die Blicke der Benediktiner wieder stärker auf die alte Klosterlandschaft Franken. Sie fanden im alten Ludwigsbad einen geeigneten Stützpunkt und legten damit den Neuanfang benediktinischen Lebens in Franken. Sie bauten das ehemalige Bad 1902 zum Internat um und verpassten ihm die charakteristische Silhouette. Das Internat blieb bis Sommer 1963, doch um hier ein benediktinisches Kloster zu gründen, war St. Ludwig schon nach zwölf Jahren zu klein. Die Mönche zogen nach Münsterschwarzach um, behielten St. Ludwig aber als Ausbildungs- und Erholungsort.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Kloster St. Ludwig Schritt für Schritt beschlagnahmt, ging aber nach Kriegsende an den Eigentümer zurück und ab September 1946 konnte der Unterricht wieder aufgenommen werden. Als auch das Internat 1963 in die Abtei Münsterschwarzach verlegt wurde, übernahmen die Oberzeller Franziskanerinnen das Kloster St. Ludwig.
In zwei Jahren errichteten die Oberzeller Schwestern das Mädchenheim St. Ludwig, in das 1965 bereits eingezogen werden konnte. 1967 wurden Schulgebäude und Werkstätten gebaut. Eine umfangreiche Generalsanierung samt enormen Umbauten erlebte das Mädchenheim ab 1997, das seitdem „Antonia-Werr-Zentrum" heißt. Eine Einweihungsfeier im Mai 2003 schloss die Arbeiten ab. Seit 2010 wird das AWZ als GmbH geführt.

Aus Stall und Kelterei wird ein Bildungshaus
Wichtiger Bestandteil des Klosters Oberzell waren seit jeher die Ökonomiegebäude nördlich der Kirche. Links vom Klostertor befanden sich Klosterschmiede und Schreinerei (ab 1714), anschließend Lagerräume und Ställe. Direkt neben der Kirche wurde um 1550 ein Kelterhaus geschaffen. Zur Zeit der Säkularisation standen in der Erdgeschosshalle acht Keltern, im Dach waren zwei große Getreideböden.
Von 1974 bis 1981 wurden die Gebäude in ein Exerzitien- und Bildungshaus umgebaut: Die Schwestern legten großen Wert darauf, die Silhouette zu erhalten und alle denkmalpflegerischen Belange zu berücksichtigen. Das Haus Klara ist seither ein Ort der Begegnung und stiller Besinnung. 2011/12 wurde die Einrichtung generalsaniert.

Haus für Frauen in Not, Gruft und Renovierung
In den 1970er und 80er Jahren investierten die Oberzeller Schwestern. 1976 weihte Weihbischof Alfons Kempf das Antonie-Werr-Haus in der Huttenstraße in Würzburg ein. Unter völlig neuem Konzept bildet diese Einrichtung eine Zwischenform von Frauenhaus und Anlaufstelle für Frauen in vielfältiger Not.
1978 konnte die neu geschaffene Gruft für die Oberzeller Schwestern eingeweiht werden. Der alte Friedhof durfte nicht weiter belegt werden, da er als Wasserschutzgebiet ausgewiesen wurde. Ein Jahr darauf starteten umfangreiche Renovierungsarbeiten an der Mutterhauskirche: Fenster wurden mit Doppelscheiben versehen, der Stuck neu gestrichen, Altäre und Kanzel gereinigt. 1980 waren die Arbeiten in der Kirche abgeschlossen.

Große Generalsanierung 2002 bis 2008
Die letzten großen Bauarbeiten erlebte das Klostergelände von 2002 bis 2008. Kirche, Konventbau und Außenanlagen wurden in dieser Zeit grundlegend saniert. Die im Mutterhaus lebenden Schwestern mussten während der Bauzeit regelmäßig umziehen. Die gesamte Infrastruktur des Gebäudes wurde auf den aktuellen Stand gebracht. Damit bei künftigen Anpassungen keine allzu großen Bauarbeiten erforderlich sind, wurden Strom-, Heizungs-, Wasser- und Abwasserleitungen in speziellen, leicht zugänglichen Kanälen verlegt. Außerdem wurden durchgängig Brandschutzverglasungen eingebaut. Das historische Entwässerungssystem wurde entwirrt und als Trennsystem mit separaten Leitungen für Regen- und Schmutzwasser neu verlegt.
In der St. Michaelskirche wurde der Altarraum nach den Entwürfen von Bau- und Kunstreferent Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen neu gestaltet. Bewusst wollten Schwestern und Planer an verschiedenen Stellen in der Kirche Bauteile aus den Epochen hervorheben, um die geschichtliche Entwicklung zu zeigen. Die Gesamtkosten der Generalsanierung betrugen rund 15 Millionen Euro.

Mutig in die Zukunft
Die Oberzeller Franziskanerinnen leben und handeln bis heute im Sinne ihrer Gründerin Antonia Werr und ihrer Vorbilder Franziskus und Klara von Assisi, die sich arm, geschwisterlich und solidarisch für ausgegrenzte Menschen und die Schöpfung einsetzten.
Bodenständig, tolerant und offen ist die Gemeinschaft durch ihren Dienst ganz nah am Menschen - insbesondere für Frauen und Mädchen - über die Jahrzehnte geblieben. Bis heute engagieren sich rund 100 Ordensschwestern und etwa 300 Mitarbeiter*innen im Alten- und Pflegeheim Antoniushaus, im Fachbereich Frauen mit dem Haus Antonia Werr und dem Wohnverbund Berscheba in Würzburg, im Antonia-Werr-Zentrum in St. Ludwig, im Bildungshaus Klara sowie in Südafrika und in den USA.
Wie andere Orden und Kongregationen wird auch die Gemeinschaft in Oberzell immer kleiner. 2019 fassten die Schwestern den Entschluss, sich selbst eine Perspektive zu schaffen. Im sogenannten Transformationsprozess sollen die Zukunftsfähigkeit der Gemeinschaft und die Altersvorsorge gesichert und gleichzeitig Freiräume für den Sendungsauftrag geschaffen werden. Wie bei der Ordensgründerin Antonia Werr ist auch heute ein entschiedenes Vorgehen und Handeln sowie Mut zum Loslassen notwendig. Trotz aller Herausforderungen blicken die Oberzeller Schwestern mutig und zuversichtlich in die Zukunft.

Quellenangabe
Geschichtliche Daten und Inhalte stammen von:
- Archiv Kloster Oberzell
- Chroniken der Kongregation
- Festschrift zum 800-jährigen Jubiläum des Norbertus-Klosters Oberzell, 1928.
- "Oberzell. Vom Prämonstratenserstift (bis 1803) zum Mutterhaus der Kongregation der Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu" von Helmut Flachenecker, Wolfgang Weiß (Hg.), Würzburg 2006
- "Oberzell am Main", Schnell Kunstführer Nr. 586 von Hanswernfried Muth, Regensburg 1996.
- "Kloster Oberzell", Schnell Kunstführer Nr. 586 von Jürgen Emmert, Regensburg 2010.
- Wikipedia
Fotohinweise:
- Archiv Kloster Oberzell,
- Fotochroniken der Kongregation,
- Staatsarchiv Würzburg,
- Gedenkbuch der Druckmaschinenfabrik von Koenig & Bauer zu Kloster Oberzell bei Würzburg 1898,
- Daniel Peter,
- Anja Mayer.