Sanierung: Neues Zuhause für Frauen in Krisensituationen

Sozialpädagogisch begleitetes Wohnangebot, Ambulant Betreutes Wohnen, Kurzzeitübernachtung/Notunterkunft – Frauen in Krisensituationen finden im Haus Antonia Werr im Würzburger Stadtteil Sanderau seit Jahrzehnten ganz individuelle Hilfe und Unterstützung. Doch die vielen Jahre gingen an dem Gebäude, das von den Oberzeller Franziskanerinnen betrieben wird, nicht spurlos vorüber. Seit November 2019 wird das Haus nun saniert. Im Spätherbst 2021 wollen die verschiedenen Abteilungen wieder einziehen, dann auch mit neuem Angebot: Denn neben den Apartments und kleinen Wohngemeinschaften für Frauen in Krisensituationen und den Betten für obdachlose Frauen, wird es dann auch Ambulant Betreutes Wohnen für Frauen mit psychischer Erkrankung geben.

Nach der Generalsanierung können insgesamt 31 Frauen einziehen. Drei Wohngemeinschaften mit Wohnküche sind für jeweils drei Frauen konzipiert. Dazu kommt eine Zweier-Wohneinheit für Mutter mit Kind. Von den 10 Einzelappartements sind vier für Frauen nach der Haftentlassung vorgesehen. Auch die Unterbringung von obdachlosen Frauen in der Kurzzeitübernachtung wird in vier Einzelzimmern deutlich verbessert und aktuellen Standards angepasst. Dem Ambulant Betreuten Wohnen für Frauen mit psychischer Erkrankung stehen auf drei Etagen zehn Plätze zur Verfügung.

 Profitieren vom Erfahrungsschatz der Mitarbeiterinnen

2021 06 02 Pressemitteilung SanierungHAW2 vorschauBaustellenbesichtigung mit (von links) Bauleiter Johannes Mang, Udo Hofer, Karola Herbert und Ute Berger.Die Frauen profitieren aber vor allem von dem reichen Erfahrungsschatz, den die Mitarbeiterinnen mitbringen. Einige der Sozialpädagoginnen arbeiten bereits seit mehr als 20 Jahren im Haus Antonia Werr. „Wir möchten Frauen, die ihre Notsituation aus eigener Kraft nicht bewältigen können, ein Stück auf ihrem Lebensweg begleiten.“ erklärt Fachbereichsleiterin Karola Herbert. Mit Hilfe der Unterstützung soll sich ihre Lebensqualität verbessern.

Immer häufiger erreichen auch Anfragen von älteren Frauen im Alter ab 55 Jahren das Haus Antonia Werr. Sie sind oft von Altersarmut bedroht und brauchen zunehmend Unterstützung. Ein alten- und behindertengerechter Zugang, ein Aufzug und zwei entsprechend ausgestattete Apartments stehen diesen Frauen künftig zur Verfügung.

Rund 5 Millionen Euro fließen in die Generalsanierung, damit das Gebäude aus den 1970er Jahren aktuelle technische Vorgaben (Brandschutz, Energiebilanz etc.) erfüllt und sich die Wohnsituation der Bewohnerinnen verbessert. Auch wenn für die Investitionskosten Zuschüsse von der Bayerischen Landesstiftung, der Aktion Mensch und der Stiftung Wohnhilfe in Bonn gewährt werden, muss doch der Großteil der Kosten von den Oberzeller Franziskanerinnen übernommen werden. Die HypoVereinsbank unterstützt die Oberzeller Franziskanerinnen mit einem wirkungsorientierten Kredit (Social Impact Financing) in Kombination mit einem KfW-Darlehen. Für die Einrichtung des Gebäudes ist man jedoch auf Spenden angewiesen. Diverse Vereine, Clubs, Stiftungen, Einzelpersonen und auch ein ortsansässiges Unternehmen sind bereits dem Spendenaufruf nachgekommen. Dennoch fehlt es an Geldern für die Möblierung der Apartments, Zimmer, Küchen und Gemeinschaftsräume.

 

Hintergrund: Haus Antonia Werr

rpt Karola Herbert (rechts) und Ute Berger suchen Farben und Möbel für die WG-Zimmer aus.Antonia Werr gründete die Kongregation der Oberzeller Franziskanerinnen vor 166 Jahren. Sie setzte sich für Frauen am Rande der Gesellschaft ein, schuf ein Zuhause für Prostituierte und Haftentlassene. Antonia Werr galt als eine mutige, barmherzige und widerständige Frau. Nach ihrem Vorbild leben und arbeiten Ordensfrauen und Mitarbeiterinnen auch heute noch. Sie begleiten die Bewohnerinnen beherzt auf deren Weg und treten für sie ein. Sie schaffen Räume für Frauen, die Begleitung, Schutz und Hilfe suchen.

In dieser Tradition steht auch das Haus Antonia Werr in der Würzburger Sanderau. 1975 eröffnete hier zunächst ein heilpädagogisch orientiertes, halboffenes Mädchenheim. 1989 widmeten die Oberzeller Schwestern es um in ein Haus für Frauen und Mädchen in Not- und Krisensituationen. Seitdem sind immer neue Angebote hinzugekommen, immer angepasst an die aktuellen Entwicklungen.

Wertschätzung erfahren – einen Neuanfang wagen – selbstbestimmt leben.

Das Unterstützungsangebot im Haus Antonia Werr umfasst Beratungs-, Übernachtungs- und Wohnmöglichkeiten für Frauen. Schicksalsschläge, Verlust der Wohnung, schwerwiegende Ereignisse im Leben oder psychische Erkrankungen können Grund für eine kurzzeitige oder längerfristige Aufnahme sein. Sozialpädagoginnen unterstützen bei der Existenzsicherung, der Suche nach neuen Lebenskonzepten, der Orientierung in problematischen Lebenssituationen, der Neuausrichtung und Stabilisierung nach Aufenthalt in einer psychosomatischen oder psychiatrischen Klinik und vielem mehr. Die Mitarbeiterinnen würdigen die Lebensleistung der hilfesuchenden Frauen und versuchen die Ressourcen, die jede Bewohnerin mitbringt zu aktivieren, damit sie wieder ein selbstbestimmtes Leben führen können.

In der sozialpädagogischen Arbeit wird Wert auf ein waches Bewusstsein für verschiedene Formen der Machtausübung gegenüber Frauen und Missstände gelegt. Frauen sind häufig durch ungerechte Strukturen gesellschaftlich benachteiligt oder Gewalt und Unterdrückung ausgeliefert. Ihnen in dieser Situation beizustehen, wird als zentrale Aufgabe betrachtet.

Kein Frauenhaus

Die Adresse von Frauenhäusern ist anonym. Dort werden Frauen aufgenommen, die aktuell einer Gewaltsituation ausgesetzt sind. Die Adresse des Haus Antonia Werr ist bekannt. Dort leben Frauen, die aus unterschiedlichsten Gründen in eine Krisensituation geraten sind, aber nicht einer aktuellen Gewaltsituation ausgesetzt sind. Sofern Gewalterfahrungen gemacht wurden, fanden diese in vergangenen Lebensabschnitten statt.