Mit Rollstuhl und Rollator auf Reisen – ein Ausflug mit dem Antoniushaus

Gute Planung und Eins-zu-eins-Betreuung

Die Ziegen zögern nicht: Ruckzuck ist die Hand abgeschleckt und das Futter verputzt. An den kecken Zieglein im Schweinfurter Wildpark haben die Seniorinnen ihre helle Freude. Es wird gestreichelt, gestaunt und viel gelacht. Dass sie dieses Erlebnis miteinander teilen dürfen, ist für die Frauen keineswegs selbstverständlich. Sie sind alle über 80 Jahre alt, in ihrer Mobilität eingeschränkt und sie leben im Antoniushaus in Würzburg, dem Pflegeheim der Oberzeller Franziskanerinnen. Den besonderen Ausflug initiierte Pflegedienstleiterin Simone Bönsch. „Unsere Bewohnerinnen finden Tiere toll und wir wollten mal etwas anderes machen als eine Schifffahrt oder eine Besichtigung.“

Die familiäre Einrichtung verfügt über 41 Pflegeplätze, die überwiegend von Oberzeller Schwestern genutzt werden, aber auch weltliche Frauen aus der Umgebung leben mit im Antoniushaus. Die Planung für den Ausflug war umfangreich: Begleitpersonen suchen und Listen erstellen – wer braucht einen Rollstuhl, wer einen Rollator, wer kann laufen und vielleicht noch einen Trolley ziehen? Wer fährt im Bus mit, wer bleibt im Rollstuhl, wer kann umgesetzt werden? Wer fährt mit dem eigenen Auto und kann noch jemanden mitnehmen? Was ist im Falles eines Notfalls? Wie hoch ist das Budget? Das Team ist auf alles vorbereitet und schließlich machen sich 23 Bewohnerinnen zwischen 80 und 100 Jahren – manche mit Rollator, viele im Rollstuhl – und rund 30 Begleitpersonen an diesem Dienstagmorgen auf den Weg.

Mit dem Aufzug in den Bus

Ihr Transportmittel: ein spezieller Reisebus der Firma Hock aus Steinfeld (Landkreis Main-Spessart). Allein der Einstieg ist für die Seniorinnen ein Erlebnis: mit einem Aufzuglift an der extrabreiten Mitteleinstiegstüre können alle bequem ihre Plätze erreichen. Der Busfahrer bedient die Steuerung, der Rest funktioniert voll automatisch. Die etwa zwei Höhenmeter werden problemlos überwunden. Das Umsetzen auf die Bussitze ist nicht ganz einfach, aber die Seniorinnen machen sehr gut mit. Die Fahrgäste sitzen bequem, Rollstühle und Rollatoren werden im Gepäckfach verstaut. Nur Geduld ist gefragt, denn bis alle Bewohnerinnen per Lift im Bus sind, vergeht fast eine Dreiviertelstunde. Bei der großen Vorfreude auf diesen Ausflug ist das für alle Beteiligten aber gar kein Problem.

Für einen guten Start in den Tag sorgt Schwester Basildis Röder, die während der Fahrt im Bus durch die Laudes führt, das Morgengebet der Schwestern. Passend zum Ausflugsziel geht es vor allem um die Schöpfung, ganz besonders um die Tiere: „Herr, segne die Tiere, damit wir das Wunder des Lebens auch in ihnen erkennen und damit sie bei uns Menschen einen guten und artgerechten Platz zum Leben bekommen.“ Nach rund einer Stunde Fahrt erreicht die Gruppe schließlich ihr Ziel: den Wildpark an den Eichen in Schweinfurt. Simone Bönsch hatte sich mit Christine Scheller im Vorfeld die Parks in Schweinfurt und in Bad Mergentheim angeschaut, beide fanden Schweinfurt für Rollstühle und Rollatoren letztlich aber besser geeignet.

Bevor der Park nun gemeinsam erkundet wird, stärken sich die Frauen und ihre Begleitpersonen mit Bratwurst und Pommes. Wie gewohnt werden zum Mittagessen die nötigen Tabletten verteilt. An alles ist gedacht, wie die stellvertretende Einrichtungsleiterin Christine Scheller erklärt: „Neben den Medikamenten werden Insuline gebraucht, aber auch Blutzuckermessgerät, Inkontinenzmaterial und Feuchttücher haben wir dabei. Und natürlich Müllsäcke, um alles zu entsorgen.“ Robert Endres, Küchenchef im Pflegeheim, gab der Reisegruppe Essenspakete mit Obst, Croissants und Brotstangen mit. Im Bollerwagen und in Rucksäcken sind außerdem Getränke, Becher und Schnabeltassen verstaut. Für manche Bewohnerinnen wird Wechselkleidung mitgenommen. „Auch an Kleinigkeiten muss gedacht werden wie kleine Löffel für Tabletten- und Tropfeneinnahme oder Tüten, falls es jemandem schlecht wird“, ergänzt Christine Scheller.

Reh, Hirsch, Jakobsschaf und Störche

Für den Spaziergang durch den Park hat jede Bewohnerin eine Begleitperson an ihrer Seite. Sechs Angehörige, zehn Schwestern aus anderen Konventen, sechs Ehrenamtliche und acht Mitarbeiterinnen des Antoniushauses sorgen an diesem Tag dafür, dass die Seniorinnen sicher und entspannt durch den Park schlendern oder rollen und, dass es ihnen an nichts fehlt. Neben den frechen Ziegen im Streichelgehege werden auch Rehe, Hirsche, Jakobsschafe, Eulen und Störche ausgiebig beobachtet. Letztere beeindrucken ihre Zaungäste mit lautem Geklapper. Sogar ein Luchs wird entdeckt und bestaunt.

Wann sie zuletzt in einem Tierpark war? Das sei so lange her, sie könne sich nicht mehr daran erinnern, sagt beispielsweise Schwester Serafine Nickl. Aber sie sei mit vielen Tieren aufgewachsen, verrät die 80-Jährige und plaudert über ihre Kindheit. So geht es einigen der Seniorinnen: der Ausflug weckt Erinnerungen. Neben Tieren und Spielplätzen befindet sich auch ein kleines Kneippbecken im Park. Schwester Galgana Kraus traut sich, stapft an der Seite von Christine Scheller durch das kühle Nass und genießt das Erlebnis. Einrichtungsleiterin Angelika Kaplan betont, dass solche Ausflüge dem Wohlbefinden der Bewohnerinnen dienen. „Sie kommen raus in die Natur, erleben einen Tapetenwechsel und Abwechslung vom Alltag.“ Zu sehen, wie die Bewohnerinnen diese Zeit genießen – das spende auch dem Personal trotz der Anstrengung Kraft.

Gut zwei Stunden sind die 23 Heimbewohnerinnen, ihre rund 30 Begleitpersonen sowie vier Kinder und zwei Hunde im Schweinfurter Wildpark unterwegs. Alle genießen die gemeinsame, unbeschwerte Zeit. Erschöpft, aber voller neuer Eindrücke geht es am späten Nachmittag zurück zum Bus. Auch für die Heimfahrt hat Schwester Basildis etwas vorbereitet: Die Vesper, das Abendgebet, darf an so einem Ausflugstag natürlich nicht fehlen. Für den Abschluss hat sie sogar ein passendes Lied getextet. Und während im Bus alle gemeinsam singen, dürfte manche Seniorin wieder das Kribbeln auf der Handinnenfläche gespürt haben, von den kecken Ziegen, die nach dem Futter schlecken.

„Viele Tiere haben wir gesehen, viel Schönes haben wir erlebt.
Wir werden lang davon noch träumen, mein Gott, wie schön ist deine Welt.“