Neue Visitenkarte

Die Einrichtungen der Oberzeller Franziskanerinnen haben ein neues Leitbild. Dem vorausgegangen ist ein über einjähriger Prozess über alle Einrichtungen und Ebenen hinweg.

Ein Leitbild ist vergleichbar mit einer Visitenkarte. Mit einem Leitbild beschreibt eine Organisation ihr Selbstverständnis. Mitarbeiter*innen können darin entdecken, nach welchen Prinzipien gehandelt wird, woran sie sich orientieren und worauf sie sich verlassen können. Nach außen, beispielsweise für Mädchen und Frauen in schwierigen Situationen wird erkennbar, welche Hilfe und Unterstützung sie in den Oberzeller Einrichtungen finden; für Behörden und kirchliche Stellen wird ersichtlich, für welche Fragestellungen sich die Oberzeller Einrichtungen als Netzwerkpartnerinnen anbieten.

Damit wird deutlich, dass sich in unserem Leitbild das gemeinsame Engagement aller ausdrückt: einerseits das Vertrauen der Leitung in ihre Mitarbeitenden und andererseits deren Erfahrung, in gleichwertiger Partnerschaft für den Erfolg der Einrichtungen gesehen zu werden. Somit ist ein Leitbild immer ein Wechselspiel.

Generaloberin Schwester Katharina Ganz erteilte einer Arbeitsgruppe aus Schwestern und Mitarbeiter*innen den Auftrag, aufgrund des Beschlusses vom Sachkapitel 2017, das bisherige Leitbild aus dem Jahr 2000 zu überarbeiten. Das neue Leitbild sollte den aktuellen Sendungsauftrag integrieren:
„Als Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu und Franziskanerinnen leben wir aus dem Evangelium. Weil Gott sich verwundbar und ohnmächtig zeigt, lassen wir uns von der Lebenswirklichkeit der Menschen berühren. Wir achten die Würde jedes Menschen, geben Frauen eine Stimme und ermutigen zum Neubeginn.“ (Generalkapitel 2013)

Der Arbeitsauftrag lautete auch, sich kritisch-konstruktiv mit der Frage einer gemeinsamen Mitverantwortung auseinanderzusetzen: Können und wollen die Mitarbeiter*innen diesen Sendungsauftrag auch für ihre Arbeit übernehmen und die Anliegen von Antonia Werr weiterführen? Damit war die eigene Mitverantwortung möglich und gefordert – das motivierte die Arbeitsgruppe „Leitbild“ sehr.

Start
Die Arbeitsgruppe bestand aus Vertreter*innen der verschiedenen Einrichtungen. Das Team aus acht Frauen – davon zwei Schwestern – und einem Mann sichtete das bisherige Leitbild und entschied sich für eine Neuformulierung. Nachdem überraschend deutlich wurde, dass zwar alle den Namen Antonia Werr kannten, aber sonst nicht so viel von ihr wussten, übernahmen zwei Mitglieder die Aufgabe, Antonia Werrs Leben und ihre Anliegen vorzustellen. Diese intensive Auseinandersetzung führte zur Vision, d.h. dem, wofür eine Organisation stehen will. Daraus ergab sich die Mission: Was wollen wir gemeinsam erreichen? Was ist uns besonders wichtig? Das konkretisierte sich in den Werten: Welche Werte und Prinzipien sollen unser Handeln leiten? Worauf achten wir nach innen und nach außen? Nach Erarbeitung der Texte wurden diese auf den verschiedenen Ebenen diskutiert und weiterentwickelt. Abschließend wurde der Entwurf im Einzelgespräch mit allen Leitungskräften durchgesprochen, bevor er endgültig genehmigt wurde. Ein spannender und hochmotivierter Prozess war zu Ende. Die Umsetzung liegt nun an allen.

Das neue Leitbild
Die Vision: Die Ausrichtung (Vision) des gemeinsamen Engagements (an der sich sowohl die Schwestern als auch die Mitarbeiter*innen für die Zukunft orientieren), ist das Handeln und die Person der Würzburgerin und Ordensgründerin Antonia Werr. Ihr Einsatz galt der unzerstörbaren Würde des Menschen, vor allem den Mädchen und Frauen in Not. Damit prägt sie bis heute die Ausrichtung der Einrichtungen der Oberzeller Franziskanerinnen. Signifikantes wird in der Vision aufgegriffen u. a.:

Antonia Werr als Dienerin
Sie diente dem Auftrag Gottes, sich um Menschen in Not zu kümmern. Das tat sie im Kontext der damaligen Zeit professionell und in Kooperation mit Staat und Kirche. Dies ist uns Vorbild, die Einrichtungen nach christlichen, zeitgemäßen und ökonomischen Grundsätzen zu führen.

Antonia Werr mutig und barmherzig
Sie ging neue und fremde Wege, um ihr Ziel durchzusetzen, den Mädchen und Frauen in Not zu helfen. Das verpflichtet uns, die uns anvertrauten Menschen auf ihren individuellen Wegen zu begleiten: ohne Unterschied des Alters, der Nationalität, des Geschlechtes und der sexuellen Orientierung, des Glaubensbekenntnisses und der gesellschaftlichen Stellung.

Antonia Werr als verwundbare Frau
Auch im Leben von Antonia Werr gab es immer wieder Rückschläge und Demütigungen. Interessant ist dabei ihr Umgang mit Verletzungen. Sie zog sich nicht zurück, sondern versuchte mit ihrer Kreativität neue, mutige und kluge Wege zu gehen, um das Ziel nicht aus dem Auge zu verlieren. Dies spornt auch uns an, die Verwundbarkeit der Menschen wahrzunehmen und darauf offen und einfallsreich zu reagieren.

Die Mission: Das Handeln von Antonia Werr ist uns Verpflichtung und Fundament, Vorbild und Orientierung für unseren Dienst in den verschiedenen Einrichtungen. Dies tun wir professionell und der jeweiligen Person entsprechend angemessen. Sei es durch die Förderung ihrer Ressourcen oder durch unterstützende Maßnahmen, damit ein selbstbewusstes Leben in Gesellschaft und Kirche möglich werden kann.

Werte: Aus unserem Einsatz heraus ergeben sich zum einen allgemeine Werte, die für Schwestern und Mitarbeiter*innen in gleicher Weise gelten und spezielle Werte für die jeweiligen Einrichtungen. Die gemeinsamen Werte sind geprägt von Wertschätzung und Vernetzung, von einem nachhaltigen Handeln sowie einer sozialgesellschaftlichen Verantwortung in einem wertorientierten Unternehmen Kloster Oberzell.

Die spezifischen Werte nehmen die Menschen in den Einrichtungen in den Blick. Das Antonia-Werr-Zentrum Sankt Ludwig, der Fachbereich Frauen mit dem Haus Antonia Werr und dem Wohnverbund Berscheba kümmern sich um Frauen und Mädchen in Not. Das Alten- und Pflegeheim Antoniushaus sieht das Alter als sinnerfüllten und bereichernden Lebensabschnitt. Im Bildungs- und Tagungshaus Haus Klara wird Gastfreundschaft groß geschrieben, denn dort kann man „Tagen, wo der Mensch zählt“. Die Schwesterngemeinschaft bildet durch ihre spirituelle, partnerschaftliche und finanzielle Unterstützung die Basis allen Handelns.

Die Verwaltung und die internen Dienstleistungen haben das Ganze im Blick und sind eine Nahtstelle. Sie sichern zugleich den Auftrag, sich um benachteiligte Mädchen und Frauen in Not zu kümmern, im Kontext zukunftsorientierter und betriebswirtschaftlicher Kriterien.

Wer sich für den Wortlaut des Leitbildsinteressiert, kann es lesen auf www.oberzell.de/ueberuns/unser-leitbild.

Anne Kurlemann
Dr. Regina Postner