Leben ohne Freiheit

Am 8. Februar, dem Gedenktag der Heiligen Josephine Bakhita (s.u.), feiert die römisch-katholische Kirche den Internationalen Tag des Gebets und der Reflexion gegen den Menschenhandel. Laut Schätzungen werden jährlich rund 35 Millionen Menschen weltweit Opfer von organisiertem Menschenhandel. Sie werden zur Zwangsarbeit und für den Organhandel ausgebeutet und vor allem Frauen und Kinder auch als Prostituierte. Verlässliche Zahlen gibt es aufgrund der hohen Dunkelziffer nicht, doch Schätzungen zufolge sind in Deutschland über 15.000 Menschen Opfer von Menschenhandel. Menschenhandel ist moderne Sklaverei und gilt weltweit als der am schnellsten wachsende Verbrechenszweig, da er lukrativer als Drogen- oder Waffenhandel ist.

Ein Opfer von Menschenhandel berichtet: „Nach dem Tod meines Vaters hatte ich beschlossen, mein Land, Nigeria, zu verlassen. Ich wollte meiner Mutter und meinen Brüdern helfen. Als ich mit dem Versprechen einer Arbeit in Italien ankam, fand ich mich auf der Straße wieder, unter der Leitung einer Madame (Zuhälterin), die mich physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt hat. Ich dachte, wenn die Schuld bezahlt ist, wäre ich frei von diesem Albtraum. Aber sie verlangten immer mehr Geld. Allein und ohne Papiere landete ich im Gefängnis, obwohl ich das Opfer war…“

Wie geht diese Geschichte weiter? „…als ich Maryam im Gefängnis traf, erzählte sie mir ihre Geschichte und ich entschied mich, ihr zu helfen. Also überzeugte ich meine Gemeinde in Sizilien, sie in unserem Haus aufzunehmen, wo sie Unterschlupf fand. In diesen Jahren ist es Maryam gelungen, ihr Leben umzuwandeln und vielen jungen Menschen zu helfen, die wie sie in die Hände der Menschenhändler geraten waren. Heute ist sie glücklich: Sie ist Mutter und freut sich über ihre Familie, ebenso wie unsere Gemeinschaft, die sie als Tochter aufgenommen hat und in der sie immer noch als Erzieherin arbeitet.“

Menschenhandel und Ausbeutung gibt es auch in unserer Gesellschaft und wir können unsere Augen nicht verschließen. In seiner Ansprache an die Teilnehmer*innen des Internationalen Tages des Gebets und der Reflexion gegen den Menschenhandel am 12. Februar 2018 findet Papst Franziskus deutliche Worte zu diesem Thema:

Sicherlich gibt es in Bezug auf das Thema des Menschenhandels viel Unwissenheit. Aber zuweilen scheint mir auch ein wenig der Wille zu fehlen, die Reichweite dieses Problems zu verstehen. Warum? Weil es unserem Gewissen nahegeht, weil es heikel ist, weil wir uns dafür schämen. Dann sind da auch diejenigen, die das Problem kennen, aber nicht darüber sprechen wollen, weil sie sich am Ende der »Konsumkette« befinden, und zwar als Nutznießer jener »Dienste«, die auf der Straße oder im Internet angeboten werden. Schließlich gibt es auch diejenigen, die nicht wollen, dass man darüber spricht, weil sie direkt an den kriminellen Organisationen beteiligt sind, und denen der Menschenhandel sehr hohen Profit einbringt. Ja, Mut und Aufrichtigkeit sind notwendig, »wenn wir im Alltag Menschen begegnen oder mit ihnen zu tun haben, die Opfer des Menschenhandels sein könnten, oder wenn wir entscheiden müssen, ob wir Produkte kaufen, die aus gutem Grund vermuten lassen, dass sie durch die Ausbeutung anderer Menschen hergestellt worden sind«.

„Wenn es viele Mädchen gibt, die als Opfer des Menschenhandels auf den Straßen unserer Städte landen, dann liegt das daran, dass viele Männer hier – junge, mittleren Alters, ältere – diese Dienste verlangen und bereit sind, für ihr Vergnügen zu bezahlen. Dann frage ich mich: Sind wirklich die Menschenhändler die Hauptursache für den Menschenhandel? Ich denke, dass die Hauptursache der skrupellose Egoismus vieler scheinheiliger Menschen unsrer Welt ist. Sicherlich ist die Festnahme der Händler eine Pflicht der Gerechtigkeit. Aber die wahre Lösung ist die Bekehrung der Herzen, die Beseitigung der Nachfrage, um den Markt auszutrocknen.“

Ein Video-Clip („Sie“ von Kerstin Neuhaus) zum Thema finden Sie hier. (Weiterleitung zur Internetseite YouTube.)

Die Oberzeller Franziskanerinnen engagieren sich im Aktionsbündnis gegen Frauenhandel und international im Netzwerk von Ordensfrauen gegen Menschenhandel, Talitha Kum. Ordensfrauen engagieren sich gegen Menschenhandel im Netzwerk Talitha Kum. Ein Video zum 10-jährigen Bestehen des Netzwerks können Sie hier sehen (Weiterleitung zur Internetseite YouTube.)

Wer war Josephine Bakhita? Josephine Bakhita wurde um 1870 in einem Dorf im Sudan geboren, als etwa 9-jährige von Räubern entführt und mehrmals als Sklavenmädchen verkauft, bis sie von einem italienischen Konsul gekauft wurde, der sie mit nach Italien nahm und ihr die Freiheit schenkte. In Italien lernte sie den katholischen Glauben kennen und konvertierte mit etwa 20 Jahren. Wenige Jahre später trat sie bei den Canossa-Schwestern ein, legte ihre Profess ab und blieb bis zu ihrem Lebensende in Italien.

(Quellen: www.talithakum.info, www.wikipedia.de, www.vatican.va)