GeDANKen zum Tag der Arbeit am 1. Mai

Liebe Mitarbeiter*innen (und Schwestern) in der Dienstgemeinschaft unserer Kongregation,

seit 16. März gilt wegen der Ausbreitung des Corona-Virus in Bayern der Katastrophenfall. Ebenso lange steht unser Bildungshaus Klara leer, haben wir für die Konvente und Einrichtungen Schutzmaßnahmen ausgearbeitet, Besuchsverbote erlassen und in vielen Bereichen Kurzarbeit eingeführt.

Das trifft viele von Ihnen hart. Vor allem, weil wir nach wie vor nicht wissen, wie lange diese Regelungen noch gelten (müssen). Gestern wurden die Ausgangsbeschränkungen um eine weitere Woche bis 10. Mai verlängert. Auch wenn Geschäfte und Schulen nach und nach wieder öffnen, ist noch völlig unklar, wann das Bildungs- und Gaststättenwesen wieder seinen Betrieb aufnehmen kann.

Als Trägerin und Verantwortliche unserer Gemeinschaft stehe ich sowohl mit den Schwestern der Konvente und Regionen in Südafrika, aber auch mit den leitenden Mitarbeitenden der Einrichtungen und Verwaltung in regelmäßigem Kontakt.

So erfüllt es mich zunächst einmal mit großer Dankbarkeit, dass wir bis heute nur in einem ganz geringen Ausmaß mit positiv bestätigen Coronafällen zu tun hatten. Von Seiten der Schwestern und Bewohnerinnen unserer Einrichtungen ist mir keine einzige Infektion bekannt. Das grenzt schon fast an ein Wunder. Freilich kann sich dieser Zustand über Nacht ändern.

Dennoch habe ich den Eindruck, dass bei uns in allen Bereichen mit hoher Verantwortlichkeit, Umsicht und Rücksicht gearbeitet wird. Es ist Ihnen allen bewusst, dass wir in der Jugend- und Altenhilfe mit besonders verwundbaren Personen zu tun haben. Aufgrund des hohen Durchschnittsalters unserer Schwestern zählen fast alle Mitglieder unserer Gemeinschaft zu den gefährdeten Risikogruppen. Für die Art und Weise Ihres Engagements, das bisher aufgebrachte Verständnis für die getroffenen Maßnahmen und die hohe Identifikation mit Ihrer Arbeit und dem besonderen Auftrag Ihrer Dienstgeberin sowie die Verbundenheit mit uns Franziskanerinnen, möchte ich Ihnen heute im Namen aller Schwestern einmal ganz besonders danken.

Morgen begehen wir in Deutschland und in vielen anderen Ländern den Tag der Arbeit. Dieser gesetzliche Feiertag geht ursprünglich auf den Einsatz von Beschäftigten zurück, die Ende des 19. Jahrhunderts für einen Acht-Stunden-Tag, bessere Vergütung und Arbeitsbedingungen kämpften. Heute bangen weltweit Millionen Menschen um ihre Arbeitsplätze und sorgen sich um ihre Existenzgrundlagen.

Die meisten von Ihnen haben bisher die verordneten Kurzarbeitmaßnahmen in unserer Dienstgemeinschaft akzeptiert und waren bereit, aus Solidarität mit anderen Beschäftigten selbst auf volle Arbeitszeit und -lohn zu verzichten. Das verdient unser aller Respekt und Dank, den ich an dieser Stelle auch der Mitarbeitervertretung (MAV) gegenüber aussprechen möchte. Wir wollen aber nicht, dass durch die Einschnitte jemand in eine existentielle Not gerät.

Deshalb bitte ich Sie eindringlich, sich an unseren Verwaltungsleiter Herrn Matthias Hart zu wenden, wenn Sie die anhaltenden Lohnkürzungen an den Rand der Belastbarkeit bringen. Denn trotz aller finanziellen Belastungen, die die fehlenden Einnahmen derzeit für die Kongregation bedeuten, wollen wir nicht, dass dadurch jemand in akute Armut gestürzt wird.

Gleichzeitig müssen wir zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgehen, dass die Ausnahmesituation, in die uns die Coronapandemie gestürzt hat, noch länger anhält. Wir wissen nicht, ob und wann auch in unseren Einrichtungen oder Konventen der Corona-Ernstfall eintritt. Wir wissen nicht, ob unser Personal, vor allem in besonders verwundbaren Bereichen eines Tages an oder über die Belastungsgrenze kommt. Denn auch mit einem einmaligen Bonus von Seiten der Staatsregierung oder kostenlosen Mittagessen kann man dem anhaltenden Pflegenotstand, der längst auch unser Alten- und Pflegeheim Antoniushaus erreicht hat, nicht entgegenwirken.

Darüber hinaus leisten Sozialpädagoginnen, Erzieherinnen und andere Mitarbeiterinnen in der Frauenarbeit und Jugendhilfe Enormes, um die uns anvertrauten Mädchen, jungen und erwachsenen Frauen zu begleiten und in diesen unsicheren Zeiten zu stützen. Der Verzicht auf Kontakte, die Besuchsverbote und Ausgangsbeschränkungen stellen vor allem für Menschen eine besondere Härte dar, die ohnehin schon psychisch labil sind oder durch andere Einschränkungen an der gesellschaftlichen Teilhabe gehindert sind. Dass es dennoch – trotz allem – bisher möglich war und ist, unsere Hilfeangebote aufrecht zu erhalten, wohnungslosen Frauen weiterhin Obdach zu gewähren und unseren Sendungsauftrag im Sinne Mutter Antonias zu erfüllen, macht mich dankbar und stolz. Es ist vor allem Ihr Verdienst!

Wir Oberzeller Franziskanerinnen sind aufgrund unserer Altersstruktur selbst zunehmend angewiesen auf Ihre Unterstützung: in der Pflege und Gesundheitsfürsorge, in Küche und Hauswirtschaft, im Unterhalt von Gebäuden, Außenanlagen, in der Verwaltung und Buchhaltung, im Transport und in vielen anderen Bereichen, die ich gar nicht einzeln aufzählen kann.

Ich möchte Ihnen heute anlässlich des Tages der Arbeit versichern, dass unsere Schwestern Ihren Dienst zu schätzen wissen und das tun, was viele von ihnen, noch tun können und gerne tun: Wir schließen Sie und Ihre Angehörigen ins Gebet ein und bitten Gott, dass Ihnen jeden Tag die Kraft geschenkt wird, die Sie für Ihre Arbeit und im Privatleben benötigen. Und so hoffen wir weiterhin:

Bleiben Sie behütet und gesund! Denn Ihr Wohlergehen liegt uns am Herzen.

Ihre

Sr. Dr. Katharina Ganz
Generaloberin