Gaudete-Sonntag: Der Freude Raum schenken

Der dritte Adventssonntag wird auch Gaudete-Sonntag genannt. Bei der Deutschen Welle ist dazu am 12. Dezember ein Text von Generaloberin Sr. Dr. Katharina Ganz erschienen, den wir hier gerne mit Ihnen teilen möchten:

Wann haben Sie sich zum letzten Mal von Herzen gefreut? Mir fällt die Antwort nicht schwer: Im Oktober war ich mit einer Gruppe aus unserer Ordens- und Dienstgemeinschaft in Assisi. Noch immer bin ich von den Erlebnissen, Orten und Begegnungen ganz beseelt.

Eine Woche lang haben wir Schwestern und unsere Mitarbeitenden sowie Mitglieder des Oberzeller Freundeskreises unter fachkundiger Begleitung von Dr. Martina Kreidler-Kos Orte aufgesucht, an denen Franziskus und Klara gelebt haben. Wir haben uns in die Zeitgeschichte hineingefühlt und uns die mittelalterliche Ständegesellschaft vor Augen geführt. Die Feudalordnung unterschied Angehörige des Adels und des Bürgertums genauso wie Zünfte und Bauern. In der Kirche waren Klerus und Laien strikt getrennt.

Wir haben dann Spuren gesucht, an denen sich im Leben des Tuchhändlersohnes und der Adelstochter etwas Entscheidendes änderte. Krisenhafte Momente, die sie erschüttert haben und ihr bisheriges Selbst-, Welt- oder Gottesbild ins Wanken kam. Und schließlich haben wir Orte besucht, die für ihr neues Leben standen. Ein Leben, das von einem tiefen Glauben und neuer Geschwisterlichkeit mit Menschen und Geschöpfen geprägt war. Ein Leben, das herkömmliche Vorstellungen von Macht und Herrschaft, Reichtum und Ansehen durchbrach. Ein Leben, das sogar den Glauben revolutionierte.

Franz und Klara staunten über die Schönheit und Erhabenheit Gottes und fanden Spuren seiner Gegenwart in allem Geschaffenen. Aus der Ehrfurcht erwuchs bei ihnen eine tiefe Freude und Dankbarkeit. Sie hatten einen offenen Blick für alles, was uns geschenkt ist im Leben, was uns selbstverständlich umgibt wie die Gestirne, die Elemente, alle Lebenwesen oder die Gaben der Schöpfung.

Und sie entdeckten einen Gott, der sich in Jesus ganz der Welt und den Menschen eingefleischt hat. Im wehrlosen Kind von Bethlehem nahm er Gestalt an, lebte unter den Menschen und verschwendete seine Liebe bis zur Hingabe am Kreuz. In der Freude dieses Glaubens verschenkten Franz und Klara ihr ganzes Hab und Gut, lebten arm und geschwisterlich mit Gleichgesinnten zusammen und dienten besonders den Armen, Verwundeten und Ausgegrenzten ihrer Zeit.

Gaudete! Freut Euch! – Der Dritte Adventssonntag lädt uns ein, die Ankunft dieses Gottes zu bejubeln, der sein Volk erlöst. Die Spuren dieses rettenden Kommens sind uns manchmal verborgen. Sorgen und Nöte, Kummer und Ängste quälen uns. Doch die Verheißung erfüllt sich auch – nicht zuletzt durch unser eigenes Handeln: Das Gottes Reich wird erfahrbar, wo wir teilen, was wir haben, gut sind zu allen Menschen oder sorgsam mit dem umgehen, was uns geschenkt ist.

Menschsein ist Geschenk und Aufgabe. Denn wir sind nicht einfach Mensch, wir werden es auch – ein Leben lang. Der Advent und das nahende Weihnachtsfest können uns Mut machen. Adventliche Menschen leben vom Anfang her und trauen sich und anderen etwas zu. Sie machen einen Unterschied, sind kreativ und erfinderisch. Verändern etwas oder wenden Dinge zum Besseren. Sie halten Freude und Hoffnung wach. Strecken sich aus nach dem Licht. Wagen neues Leben. Menschen, die nicht blutsverwandt sind, werden einander Geschwister. Sie suchen nach Wegen, diese Welt ein wenig gerechter, friedlicher und menschlicher zu machen.

Adventlich aus der Erwartung zu leben heißt sich bewusst zu machen, dass unser Leben verdankt ist. Wir haben uns nicht selbst erschaffen. Wir leben durch andere Menschen und von den Elementen, die uns umgeben. Die Grundlagen des Lebens in der Verantwortung für alle Geschöpfe, zukünftigen Generationen und die Schöpfung gilt es sorgsam zu hüten und zu pflegen.

So möchte ich Sie ermutigen sich in diesen Tagen zu erinnern, woher Sie kommen. Dankbar zu sein, wer zu Ihnen gehört und mit wem Sie verbunden sind. Und mögen Sie nicht aufhören trotz aller Widrigkeiten und Sorgen wachsam zu bleiben für alles, was uns froh machen und aufrichten kann.

Sr. Dr. Katharina Ganz OSF

 

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