Fehler bekennen, Verbrechen verhindern

In erschütternder Weise zeigen Gutachten immer wieder das Ausmaß sexualisierter Gewalt im kirchlichen Umfeld. Seit 2010 erste Missbrauchsfälle von Ordensleuten am Canisius-Kolleg in Berlin aufgedeckt worden sind, beschäftigen sich Gemeinschaften in Deutschland mit der Aufarbeitung. 2020 wurden alle bisherigen Richtlinien in enger Abstimmung mit der Deutschen Bischofskonferenz überarbeitet und entsprechende Bestimmungen auch für die Ordensgemeinschaften erlassen. 13 Orden und Kongregationen, die im Bistum Würzburg tätig sind, haben 2021 daraufhin einen gemeinsamen Beraterstab ins Leben gerufen. Auf Anregung der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Diözese Würzburg (AAK) hatten die Ordensleute nun zu ihrem jüngsten Treffen im März zwei Vertreterinnen der Aufarbeitungskommission des Bistums eingeladen, um über eine Kooperation zu reden.

Die AAK des Bistums Würzburg konzentriert sich auf das Personal des Bistums, so die Empfehlung der „Gemeinsamen Erklärung über verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland“ des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs und der Deutschen Bischofskonferenz vom 27. April 2020. Ordensgemeinschaften als solche sind nicht Bestandteil des Konzeptes. Es gibt aber Überschneidungen, wenn etwa Schwestern oder Brüder in Einrichtungen des Bistums angestellt waren. Dass sie mit dem von der AAK beauftragten Gutachter zusammenarbeiten und ihn unterstützen wollen, steht für die Ordensgemeinschaften außer Frage. Die Oberen haben bei ihrem Treffen im März aber auch erneut darüber diskutiert, wie eine eigene Aufarbeitung aussehen könnte. Den Ordensleuten ist es wichtig, „der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, eigene Fehler zu bekennen, Konsequenzen zu ziehen, den Betroffenen Gerechtigkeit widerfahren zulassen und alles in der Macht des jeweiligen Amtes und der Organisation Stehende zu tun, damit künftig solche Verbrechen verhindert werden“, wie es im letzten Sitzungsprotokoll heißt.

Unabhängiger Beraterstab mit viel Expertise

Der unabhängige Beraterstab soll dabei helfen. Rechtsanwalt Thomas Braun, Psychotherapeutin Elisabeth Kirchner (Wildwasser Würzburg), Sozialrichter i. R. Burkhard Löffler, Kirchenrechtler Prof. Dr. Martin Rehak (Katholische-Theologische Fakultät Würzburg) und Psychologin Nina Rübsam (Hauptamtliche der Kreuzschwestern, Gemünden) beraten die Ordensoberen. Das Gremium macht keine Aufarbeitung, sondern bringt wichtige Impulse und vor allem fachliches Know-How in die Diskussionen der Ordensgemeinschaften ein. Der kritische Blick von außen ist dabei besonders wertvoll.

 In der jüngsten Sitzung waren nun Prof. Dr. Anja Amend-Traut, Inhaberin des Lehrstuhls für Deutsche und Europäische Rechtsgeschichte, Kirchenrecht und Bürgerliches Recht an der Universität Würzburg, und Vorsitzende der Unabhängigen Aufarbeitungskommission des Bistums Würzburg, sowie Dr. Hülya Düber, Referentin des Jugend-, Familien- und Sozialreferates der Stadt Würzburg, zu Gast. Die beiden stellten die Arbeit der AAK des Bistums Würzburg vor. Die beiden maßgeblichen Ziele aller Bestrebungen seien, im Rahmen eines strafrechtlichen Gutachtens systemische Schwächen aufzudecken und sodann auf dieser Grundlage Empfehlungen für eine Umstrukturierung auszusprechen, durch die für die Zukunft – soweit möglich – Missbrauch vermieden werden soll. Geplant ist laut Amend-Traut, dass Betroffene dazu aufgerufen werden, sich zu melden, um in das Gutachten einbezogen zu werden.

 Die 13 Ordensgemeinschaften möchten Aufarbeitung und Prävention vorantreiben. Ihre Organisationen stellen sich allerdings sehr komplex dar. Die Orden sind mitunter in verschiedenen Bistümern tätig oder wirken in Einrichtungen anderer Träger und haben somit nicht immer Zugriff auf Akten. Zudem sind die Einsatzorte mehr als vielfältig, die Schwestern und Brüder wirkten und wirken in Heimen, Kindergärten und Schulen, in der Seelsorge, in therapeutischen Einrichtungen oder auch in der Mission. Manche Orden wiederum haben gar keinen Kontakt nach außen. In einem nächsten Schritt will sich nun der Beraterstab nochmals mit der Aufarbeitungskommission bzw. Mitgliedern daraus treffen und unabhängig von den Ordensoberen überlegen, welche Empfehlungen sie den Gemeinschaften in Sachen Aufarbeitung geben können.

 Wichtig ist den Ordensleuten vor allem eines: Betroffene können sich jederzeit an die unabhängigen Ansprechpartner wenden. Deren Namen und Kontaktdaten finden sich auf den Internetseiten der Gemeinschaften.

 

Die 13 Ordensgemeinschaften, die mit dem Beraterstab zusammenarbeiten, sind:

•    Bayerisch-Deutsche Provinz der Augustiner, Würzburg

•    Comboni-Missionare Deutschsprachige Provinz, Nürnberg

•    Deutsche Provinz der Claretiner

•    Deutsche Provinz der Karmeliten, Bamberg

•    Deutsche Provinz der Missionare von Mariannhill, Würzburg

•    Deutsche Provinz der Schwestern vom Guten Hirten, Würzburg

•    Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu, Würzburg

•    Dillinger Franziskanerinnen, Deutsche Provinz

•    Fränkische Provinz der Dominikanerinnen, Neustadt

•    Franziskaner Minoriten Provinz St. Elisabeth, Würzburg

•    Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz

•    Kongregation der Ritaschwestern, Würzburg

•    Kongregation der Schwestern des Erlösers, Würzburg

 

Gemeinsame Pressemitteilung aller 13 beteiligten Ordensgemeinschaften.