Gruppenfoto aller Schwestern und Mitarbeiterinnen im Konvent St. Ludwig.
Zur Konventsfamilie gehören (hinten von links) Bärbel Bäumer, Sr. Regina Grehl, Sr. Antonia Drewes, Sr. Margareta Plank sowie (mittig von links) Sr. Aurelia Müller, Sr. Irmgard König, Jutta Hahner und Edel Krauß sowie (vorne von links) Sr. Geralda Seybold, Sr. Wilhelma Söldner und Sr. Luitgard Omert.

Konvent Heilige Familie St. Ludwig

Wer den Konvent „Heilige Familie St. Ludwig“ besucht, merkt schnell: Hier geht es nicht nur um Gemeinschaft, sondern um gelebte Verbundenheit. Derzeit acht Schwestern leben hier in unmittelbarer Nähe zum Antonia-Werr-Zentrum (AWZ) unter einem Dach. Das Wort „Familie“ fällt im Gespräch mit den Schwestern immer wieder. Es beschreibt nicht nur ihr Zusammensein im Konvent, sondern auch ihren Blick auf die Mädchen, die in der heilpädagogisch-therapeutischen Einrichtung der Jugendhilfe leben. Der Name des Konvents mag hoch klingen – und doch trifft er genau das, was hier gelebt wird, erstaunlich gut: das Miteinander und die Fürsorge – wie in einer Familie – nicht perfekt, aber echt.

Das Miteinander von Schwesternkonvent und Jugendhilfeeinrichtung besteht in diesem Jahr seit 60 Jahren. 1963 übernahmen die Oberzeller Franziskanerinnen das Anwesen St. Ludwig von der Benediktinerabtei Münsterschwarzach. Die ersten Schwestern zogen noch im selben Jahr ein – darunter auch Schwester Aurelia Müller, die bis heute hier zuhause ist. Die 85-Jährige erinnert sich noch gut an ihren Einzug: „Mein Bett war ein Eisengestell, und wir hatten anfangs weder Tisch noch Stühle.“ Außerdem lebten in den ersten Monaten noch Benediktinerbrüder mit auf dem Gelände, die sich um die Landwirtschaft kümmerten.

Als 1965 das Mädchenheim eröffnet wurde, zogen auch Sr. Wilhelma Söldner (86) und Sr. Irmgard König (87) nach St. Ludwig. Als Schneidermeisterin mit zusätzlicher Erzieherinnenausbildung bildete Sr. Wilhelma die Mädchen in ihrem Handwerk aus. Sr. Irmgard war Fachlehrerin für Hauswirtschaft: „Ich wollte den Mädchen die Fähigkeit geben, selbstständig zu leben und einen eigenen Haushalt führen zu können.“ Beide waren zudem für eine Wohngruppe verantwortlich. Ihre Erzählungen zeigen: Früher war der Alltag ein anderer. Sie lebten mitten in den Gruppen, ihre Zimmer lagen Tür an Tür mit denen der Mädchen. Feierabend oder Abstand gab es nicht – für die Schwestern war das ganz selbstverständlich: Das war eben so.

Umso wichtiger war für die jungen Frauen damals der Austausch untereinander – oft im Keller, wie Sr. Wilhelma schmunzelnd verrät, „damit ganz sicher keines der Mädchen heimlich zuhörte“. Und immer war da die Gewissheit, füreinander da zu sein, wie Sr. Irmgard betont: „Auf meine Mitschwestern konnte und kann ich mich immer verlassen.“

In den 1960er und 70er Jahren lebten bis zu 46 Schwestern in St. Ludwig – auch an diese Zeiten erinnern sich die beiden noch gut. Vieles hat sich seither verändert: neben Sanierungen und Umbauten vor allen Dingen der Erziehungsstil und die Methodiken in der Pädagogik.

Sr. Luitgard Omert (86) kam 1993 als Erzieherin ins Antonia-Werr-Zentrum, sie hatte zuvor viele Jahre im Kindergarten St. Hildegard in Würzburg und in Kitas der Umgebung gearbeitet. Sr. Geralda Seybold (90) wirkte als Krankenschwester 30 Jahre lang in der ambulanten Krankenpflege, hauptsächlich in Würzburg. 13 Jahre war sie zudem Teil der Generalleitung und 15 Jahre Oberin im Mutterhaus, bevor sie 2007 nach Kirchschönbach wechselte. Nach der Schließung dieses Konvents 2017 entschied sie, dass sie bereit für etwas Neues ist: „Ich genieße mein Alter hier“, sagt sie und lächelt.

Sr. Antonia Drewes und Sr. Regina Grehl sind im AWZ beruflich tätig. Sr. Antonia (49) lebt und arbeitet mit einer Unterbrechung aufgrund der Ausbildung zur Heilpädagogin seit 2017 in St. Ludwig. Nach dieser Ausbildung startete sie 2022 wieder in einer Wohngruppe im AWZ. Seit Mai 2025 begleitet und unterstützt sie die Mädchen in der neu eröffneten traumapädagogisch-therapeutischen Intensivgruppe in ihrem Alltag. Alle Mädchen, die im AWZ leben, kommen aus schwierigen, zum Teil traumatisierenden Lebensumständen. Sr. Regina (58) ist in St. Ludwig bereits seit 25 Jahren zuhause und arbeitete in dieser Zeit in verschiedenen Bereichen. Als Musiktherapeutin hält sie nicht nur Musikunterricht in der Schule. Die Mädchen dürfen auch in Einzelstunden zu ihr kommen und beispielsweise ein Instrument lernen, so öffnet sie den Mädchen neue Räume. Im AWZ leitet Sr. Regina momentan das pastorale Team, und sie organisiert einmal im Jahr ein Musik-Café, in dem die Mädchen aufführen können, was sie gelernt haben.

Im Februar ist im Konvent ein neues „Familienmitglied“ eingezogen: Sr. Margareta Plank kam, um den Konvent und die Arbeit im Antonia-Werr-Zentrum näher kennenzulernen. Dafür begleitete die ausgebildete Krankenschwester die Sozialpädagoginnen und die Mädchen einer Wohngruppe. Inzwischen steht fest, dass sie im Konvent bleiben wird, auch wenn sie ab Juli im Würzburger Juliusspital auf der Palliativstation arbeitet.

Neben den Schwestern gehört auch sie für alle einfach dazu: Bärbel Bäumer. Die 69-Jährige kommt an drei Vormittagen pro Woche in den Konvent. Viele Jahre war sie selbst Erzieherin im AWZ, seit 2018 übernimmt sie als Koordinatorin Verwaltungsaufgaben und Fahrdienste, erledigt Besorgungen und organisiert zusammen mit den Schwestern Aktivitäten. Sie nennt sich selbst augenzwinkernd „Mädchen für alles“, leitet regelmäßig zu Gedächtnistraining, Gymnastik oder Sitztanz an – und mit ihrem Mann Christoph lädt sie die Schwestern einmal im Jahr zu Pizza und selbstgebackenem Brot in ihr Zuhause ein. Als Sr. Irmgard sich beim Gespräch kurz räuspert, steht Bärbel Bäumer wie selbstverständlich auf, holt ein Glas und schenkt Wasser ein. Eine kleine Geste, die viel erzählt.

Zur Unterstützung der Schwestern sind seit einigen Jahren zudem zwei hauswirtschaftliche Kräfte angestellt: Auch Jutta Hahner und Edel Krauß gehören zur Konventsfamilie. Sie reinigen das Haus, kümmern sich um den Einkauf, helfen in der Küche. Das Essen selbst kommt aus der Zentralküche des AWZ, wobei die beiden die Schwestern auch gern mittwochs mit ihren selbst gekochten Suppen verwöhnen.

Familiäres Miteinander prägt den Alltag im Konvent: vom ersten Gebet am Morgen bis zum letzten Gespräch am Abend. Die Schwestern starten um 7.30 Uhr mit der Laudes in ihrer Kapelle gemeinsam in den Tag und frühstücken anschließend zusammen. Danach geht jede ihren Weg und ihrer Aufgabe nach – im AWZ, im Garten oder in der Kirche. Wenn es die Dienste zulassen, treffen sie sich mittags wieder zum Gebet und zum Essen – das gleiche gilt für den Tagesabschluss: Vesper oder Eucharistiefeier, anschließend Abendessen. Zweimal im Monat gibt es ein Konventskapitel, in dem wichtige Themen und Termine besprochen werden. Doch eigentlich, sagen die Schwestern, sind sie ja ohnehin bei jedem gemeinsamen Essen im Austausch.

Mit alltäglichen Aufgaben bringt sich jede Schwester in das Zusammenleben ein – jede auf ihre Weise, jede mit dem, was sie kann und gerne tut. Sr. Aurelia öffnet morgens die Kirche, sie ist Sakristanin und sorgt dafür, dass alles bereit ist – und, dass der Kaffee am Morgen duftet. Außerdem hilft sie mit, die Außenanlagen in Schuss zu halten. Sr. Wilhelma kümmert sich ums Tischdecken, hilft bei der Wäsche und ist oft erste Ansprechpartnerin, wenn eine Mitschwester Flick- oder Nähunterstützung braucht. Sr. Luitgard übernimmt Fahrdienste und arrangiert liebevoll den Kirchenschmuck. Außerdem pflegt sie per Telefon ihre Kontakte. Was sie dabei hört, nimmt sie mit ins Gebet – nicht selten sitzt sie am Fenster und betet still für andere. Sr. Regina ist Organistin, koordiniert die liturgische Planung und gestaltet besondere Gottesdienste und Festlichkeiten mit den Mädchen. Sr. Geralda ist häufig die Stimme fürs Vorbeten, Sr. Irmgard werkelt im Garten, Sr. Antonia hält den Gebetsraum in Schuss – und verwöhnt ihre Mitschwestern mit selbst gebackenem Brot.

Darüber hinaus sind alle Schwestern im Antonia-Werr-Zentrum präsent. Sie begegnen den Mädchen, werden angesprochen, gefragt, um Rat gebeten – und haben dafür immer Zeit. Ein kurzes Gespräch, ein freundliches Wort, ein stilles Zuhören – oft sind es genau diese Begegnungen, die Verbindung schaffen. Mit ihrer Erfahrung und ihrem Glauben tragen die Schwestern dazu bei, dass das Miteinander zwischen Ordensleben und Jugendhilfe lebendig bleibt.

Damit dieses Verbundensein nicht dem Zufall überlassen bleibt, wurde vor einigen Jahren die Idee der Patenschwestern geboren – eine Herzensangelegenheit der früheren Oberin und AWZ-Leiterin Sr. Agnella Kestler, die diese Funktion einführte, nachdem immer mehr Schwestern in Ruhestand gingen und weltliche Mitarbeiter:innen die Arbeit übernahmen. Viele Mädchengruppen haben seither eine Schwester an ihrer Seite – als stille Begleiterin, als Ansprechpartnerin, als Zeichen der Zugehörigkeit. Die Patenschwestern werden regelmäßig eingeladen, bringen manchmal kleine Geschenke mit, oft aber einfach Zeit und ein offenes Ohr. Und sie spüren: Die Mädchen und auch die Mitarbeitenden nehmen das Angebot gerne an.

„Manche fragen, wie sie beten können“, erzählt Sr. Irmgard. „Oder ob wir sie in die Kirche begleiten“, ergänzt Sr. Antonia. Es sei spürbar, dass viele Mädchen sich für Glaubensfragen und christliche Rituale interessieren. „Manche wollen in der Kirche eine Kerze anzünden und möchten, dass wir sie begleiten.“ Bemerkenswert ist auch die Offenheit der Mädchen für den Ministrantendienst: Neun junge Frauen aus dem AWZ dienen aktuell regelmäßig bei Gottesdiensten, wie Sr. Regina erfreut mitteilt. „Wer möchte, darf mitmachen.“ Und die Schwestern wiederum tragen die Mädchen – und das gesamte Team des AWZ – in ihren täglichen Gebeten mit.

Diese Nähe wirkt auch an anderer Stelle: Weihnachten besitzt für die Oberzeller Schwestern seit jeher eine ganz besondere Bedeutung. Und im Antonia-Werr-Zentrum ist es ein echtes Herzensfest. Nicht ohne Grund werden die Schwestern in St. Ludwig oft liebevoll „Weihnachtsschwestern“ genannt – denn das Fest wird mit besonderer Sorgfalt gestaltet. Sr. Regina probt mit den Mädchen ein Krippenspiel, das fester Bestandteil des Gottesdienstes ist. Danach ziehen sich die Mädchen in ihre Wohngruppen zurück und werden von ihren Erzieherinnen mit einem festlichen Essen verwöhnt, das keine Wünsche offenlässt. Dazu sind auch die Patenschwestern immer eingeladen. Die Erzieherinnen besorgen für jedes Mädchen Geschenke. Das Auspacken ist ein kleines Ritual – jede darf nacheinander ihre öffnen, auch die Erzieherinnen beschenken sich gegenseitig. Die Mädchen erleben so eine besondere Kultur des Feierns, wie sie es zuhause meist nie erlebt haben. Wer heute als Ehemalige zurückblickt, erinnert sich oft zuerst an Weihnachten – für viele ist es das, was St. Ludwig ausmacht.

Was in solchen Momenten spürbar wird, zeigt sich auch jenseits der Feiertage: Im Konvent Heilige Familie St. Ludwig lebt bis heute weiter, was im Sendungsauftrag von Ordensgründerin Antonia Werr wurzelt: eine Haltung der Offenheit, der Fürsorge und des Mitgehens. Die Schwestern leben, was sie weitergeben möchten – in ihrem Alltag, in ihrer Präsenz im Antonia-Werr-Zentrum, in der Art, wie sie einander und anderen begegnen. Vielleicht ist es gerade das, was den Namen des Konvents so passend macht.

Kleine Geschichte von St. Ludwig

1825  das Kurbad darf sich nach König Ludwig I. von Bayern ab sofort „Ludwigsbad“ nennen
1901  Missionsbenediktiner von St. Ottilien kaufen das Ludwigsbad und errichten ein Studienseminar
1909  die neue Klosterkirche wird geweiht
1914  von St. Ludwig aus wird die Benediktinerabtei Münsterschwarzach aufgebaut
1940  auf Anordnung der nationalsozialistischen Machthaber wird St. Ludwig geschlossen und beschlagnahmt
1943  das König-Ludwig-Haus wird infolge der Bombenangriffe von Würzburg nach St. Ludwig verlegt
1946  Rückgabe der Klosteranlage an die Benediktiner, die den Seminarbetrieb wieder aufnehmen
1963  Verkauf des Anwesens an die Kongregation der Dienerinnen der hl. Kindheit Jesu, Abbruch des Seminargebäudes und Neubau
1965  Eröffnung des Mädchenheimes St. Ludwig (die damalige „Fürsorge-Anstalt“ zog von Oberzell nach St. Ludwig)
1967  Schulgebäude und Werkstätten gebaut
1997  umfangreiche Generalsanierung des Mädchenheims, das seitdem Antonia-Werr-Zentrum heißt
2010 Überführung in eine GmbH

 

Schwestern helfen alle mit beim Vorbereiten des Mittagsessens im Konvent St. Ludwig.

Alltag im Konvent: Alle helfen beim Mittagessen und Kaffee und Kuchen mit.