Sonderpädagogin mit besonderer Gabe

„Morgenglanz der Ewigkeit, Licht vom unerschaffenen Lichte, schick uns diese Morgenzeit deine Strahlen zu Gesichte, und vertreib durch deine Macht unsere Nacht.“ Dies ist eines der Lieder, die sich Schwester Ilse für ihr Requiem gewünscht hat. Im Sonnenlicht erkannte sie den Abglanz Gottes, des unerschaffenen Lichtes. Die ganze Schöpfung war für sie ein Gleichnis für die verborgene Herrlichkeit des Schöpfers. In dieses Ewige Licht Gottes ist Schwester Ilse am Abend des 26. Oktober heim gegangen.

Geboren wurde sie am 31. Mai 1938 in Otting, im Landkreis Donauwörth. In der Taufe erhielt sie den Namen Walburga, den Namen der großen Heiligen des Bistums Eichstätt. Walburga war das zweite Kind ihrer Eltern, der zweijährige ältere Bruder starb vor ihrer Geburt. 1941 schenkte Gott ihren Eltern noch eine Tochter und Walburga eine Schwester.

Ihr Vater musste in den Krieg. Um sich und die Kinder zu ernähren, half ihre Mutter bei einem Landwirt. Die Kinder waren deshalb schon früh im Kindergarten. Ab 1944 besuchte Walburga die Volksschule in Otting. In diesem Jahr fiel auch ihr Vater im Krieg. Bei der Firmung mit fast elf Jahren sei ihr zum ersten Mal der Gedanke gekommen, ins Kloster zu gehen und Ordensfrau zu werden, sagte sie später.

Nach der Schulentlassung besuchte die 14-jährige Walburga als Kandidatin die Mittelschule im Kloster Oberzell. Der Kontakt entstand sicher über ihre Tante mütterlicherseits, Schwester Reinfredis, die ebenfalls zu unserer Gemeinschaft gehörte. Im Anschluss an die Mittelschule besuchte Walburga von 1953 bis 1959 das Deutsche Gymnasium der Englischen Fräulein in Bamberg. Nach dem Abitur studierte sie drei Jahre an der Pädagogischen Hochschule in Würzburg und legte die erste Prüfung für das Lehramt an Volksschulen ab. 1962 erhielt sie die missio canonica zur Erteilung des katholischen Religionssunterrichts.

Im Oktober 1963 wurde Walburga ins Noviziat aufgenommen und bekam ihren Ordensnamen Schwester M. Ilse. Nach dem zweijährigen Noviziat legte sie im Oktober 1965 die zeitliche Profess ab, die sie zweimal erneuerte. Die Ewigen Gelübde konnte sie erst nach Abschluss ihres Studiums 1972 ablegen.

Lehrerin mit Herz für Sonderpädagogik

Beruflich war Schwester Ilse ab 1965 zunächst als Volksschullehrerin in Stammheim und St. Ludwig eingesetzt. 1967 legte sie die zweite Lehramtsprüfung für Volksschulen ab und 1969 die fachliche Prüfung für das Lehramt an Realschulen. Drei Jahre lang unterrichte sie an unserer Realschule in Oberzell. 1973/74 unterzog sie sich nochmals einer Zusatzprüfung für Sonderpädagogik am Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus in München.

1970 wurde Schwester Ilse nach St. Ludwig versetzt. Als Lehrerin wirkte sie dort 30 Jahre lang bis 2000. Ab 1989 war sie auch stellvertretende Schulleiterin der Von-Pelkhoven-Schule. Schwester Ilse war ein Vorbild für andere Lehrkräfte. Sie pflegte gute Kontakte zum Kollegium. Mit der Zeit wuchsen auch Freundschaften zu Ehemaligen. Als Lehrerin hatte Schwester Ilse die Gabe sich in ihre Schülerinnen und ihren besonderen Förderbedarf einzufühlen und bewies einen langen Atem. Immer hatte sie die Abschlussklasse. Neben dem Religions- gab sie auch Werkunterricht. Sie galt als bescheiden und geduldig. Auch nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst war sie sehr interessiert an Entwicklungen und nahm an den Feierlichkeiten der Schule mit ihrem bezaubernden Lächeln gerne teil.

Talent für hintersinnige Büttenreden

Als sie zunehmend Probleme mit ihrer Stimme bekam, schied Schwester Ilse mit 62 Jahren aus dem Schuldienst aus, widmete sich von nun an dem Archiv und übernahm den Pforten- und Schließdienst im Antonia-Werr-Zentrum. Schwester Ilse war eine reflektierte und vielseitig interessierte Zeitgenossin. Im Gemeinschaftsleben konnte sie einerseits kritisch und hinterfragend bis widerständig oder korrigierend sein. Gleichzeitig besaß sie einen feinen Sinn für Humor, hatte einen Sinn für Ästhetik, einen Blick für’s Detail, liebte das Fotografieren, schrieb hintersinnige Büttenreden und liebte originelle Verkleidungen an Fasching.

Kraft schöpfte Schwester Ilse aus einem tiefen Gebetsleben, aus der Kontemplation und dem Draußensein in der Natur, die sie auch meditierte. In den letzten Jahren fand sie bei Radio Horeb zusätzliche geistliche Nahrung. Zwei Jahrzehnte lang führte sie die Chronik des Konvents und stimmte die Schwestern auf ihren monatlichen Stillen Tage ein. Zusammen mit ihrer Freundin Nora Schaffer gestaltete sie ein Fotobuch über die Kirche von St. Ludwig sowie Betrachtungen zu den Kreuzwegstationen bei Maria im Weingarten.

„Licht, das keinen Abend kennt, leucht uns, bis der Tag sich neiget. Christus, wenn der Himmel brennt und dein Zeichen groß aufsteiget, führ uns heim aus dem Gericht in dein Licht.“ In diesem österlichen Licht glauben wir Dich, liebe Schwester Ilse, nun angekommen und feiern das Auferstehungsamt für Dich.

Sr. Katharina Ganz