Der Advent ist die Zeit des Wartens und der Erwartung auf den wiederkommenden Christus am Ende der Zeiten. Schwester Reintrudis war für diese Begegnung bereit. „Herr, ich bin bereit, aber es eilt nicht!“ sagte sie öfter mit einem süffisanten Lächeln. So ging sie am Samstag, 10. Dezember, dem ersehnten Christus freundlich und ruhig entgegen.
Schwester Reintrudis wurde am 4. Juni 1933 in Kirchlauter im Landkreis Haßberge geboren und auf den Namen Helene getauft. Sie hatte sieben Geschwister. Die ersten sechs Jahre verbrachte sie im Elternhaus. Als sie fünf Jahre alt war starb 1938 ihre Mutter. Ein Jahr später heiratete ihr Vater erneut. Im März 1940 musste er zur Wehrmacht. Helene kam zur Oma nach Raitenbuch in Mittelfranken. Dort besuchte sie von 1939 bis 1947 die Volksschule.
Danach arbeitete sie ein halbes Jahr lang als Hausangestellte in einer Augenklinik in München, ab Frühjahr 1948 als Kindergartenhilfe in Siegsdorf. In Traunstein besuchte sie die Berufsschule und noch ein Jahr lang die Hauswirtschaftliche Berufsschule.
1951 kam Helene nach Nürnberg und war bis 1953 Schülerin in der Caritas-Säuglingsklinik in Nürnberg. Dort nahm sie auch am theoretischen Unterricht teil, sie hatte den Wunsch, Säuglingsschwester zu werden. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten konnte sie die Ausbildung aber nicht beenden. Im Mai 1954 fing sie in unserem Fürsorgeheim in München-Thalkirchen als Praktikantin an und war fünf Monate als Säuglingspflegerin tätig.
Helene war am Ordensleben interessiert. In Kirchlauter hatte unsere Kongregation eine Niederlassung. So kam sie dort wie auch in München mit unseren Schwestern in Kontakt. Außerdem hatte sie eine Tante, Schwester Nikola Obenauf, bei uns hier im Kloster. Im September 1954 trat sie im Kloster Oberzell ein. Als Kandidatin konnte sie schließlich an der Uni-Kinderklinik in Würzburg 1955 ihre Ausbildung zur Säuglingsschwester abschließen.
Fürsorge für Kinder, offenes Ohr für Mütter und Familien
Nach der beruflichen Ausbildung wurde sie 1956 ins Noviziat aufgenommen und erhielt den Namen Schwester M. Reintrudis. Im Noviziat wurde sie in das klösterliche Leben eingeführt. Nach einjährigem Noviziat legte sie 1957 die Erstprofess und 1960 die Profess auf Lebenszeit ab. Nach der Profess wurde sie 1957 in das Fürsorgeheim in Mannheim versetzt, wo sie auf der Säuglingsstation von Schwester Elisabeth Tremel eingesetzt wurde. Aus dem beruflichen und schwesterlichen Zusammenwirken entwickelte sich ein tragfähiges Miteinander. Als das Heim in Mannheim 1978 geschlossen wurde, wurden Schwester Reintrudis und Schwester Elisabeth nach Großrinderfeld versetzt. Dort galt ihre ganze Fürsorge und Liebe den Kindern in der Kinderkrippe. Selbstverständlich hatte sie auch ein offenes Ohr für die Mütter und Familien. Der Konvent wurde 1999 aufgelöst.
Schwester Reintrudis war über 40 Jahre Säuglingsschwester. Sie liebte ihren Beruf und verrichtete diese Dienste an den Kindern mit viel Geduld, Sorgfalt und Verantwortung. Nie war ihr eine Arbeit zu viel. Durch ihre treue Art hatte sie bis zuletzt viele Kontakte. Schwester Reintrudis zog ins Mutterhaus, wo sie im Sprechzimmer und in der Wäscherei weitere fast 20 Jahre treue Dienste tat.
Hoffnung und Lichtblicke für die Kinder der Gemeinschaftsunterkunft
Als wichtige Aufgabe sah sie außerhalb des Klosters ihre wöchentlichen Besuche in der Gemeinschaftsunterkunft auf der anderen Mainseite. Mit Schwester Marisstella Bender besuchte sie Frauen und Kinder, spielte und bastelte mit ihnen und brachte somit Hoffnung und Lichtblicke in deren Alltag. Sie sammelte Spielzeug, Kleidungsstücke und andere Hilfsmittel. Ihr sehr guter Kontakt nach Großrinderfeld trug viel dazu bei, dass sie viel bekam, das sie großzügig verteilen konnte. Es war ihr ein großes Bedürfnis, diesen Menschen zu helfen und sie zu unterstützen. Keine Anstrengung war ihr dabei zu viel und alle Sprachhindernisse waren überwindbar. Als sie diese Besuche 2011 nicht mehr machen konnte, da der Weg zu beschwerlich wurde, war sie sehr traurig.
Als auch der Dienst im Waschhaus ihr nicht mehr möglich war sah sie ihre Aufgabe darin, für andere Menschen und deren Anliegen zu beten. Man traf sie kaum ohne Rosenkranz in den Händen an und sehr oft in der Anbetungskapelle, wo sie all die ihr anvertrauten Anliegen, Sorgen und Nöte vor Gott zur Sprache brachte. Das Leben in Gemeinschaft war Schwester Reintrudis wichtig. Wach und aufmerksam war sie präsent, brachte auch hier ihre Sorge um die Zukunft vor Gott zur Sprache. Sie konnte aber auch gut allein sein und nutzte die Zeit, um ihre Kontakte zu pflegen. Sie brauchte nicht viel, um glücklich zu sein. Wenn man sie fragte, wie es ihr geht, sagte sie immer: „Danke, ich bin zufrieden!“ Sie klagte nie! Neben ihrer Bescheidenheit und Dankbarkeit zeichneten sie ihr Charme und ihr Humor aus.
Vor einem Jahr kam sie auf die Pflegestation ins Antoniushaus. Sie schätzte besonders ihre Zimmernähe zur Kapelle und zum Allerheiligsten. Dort war sie oft anzutreffen. Auch von unseren Mitarbeiterinnen im Pflegebereich wurde sie durch ihre Dankbarkeit und ihre Anspruchslosigkeit geschätzt und geliebt. Im Mai feierte sie dieses Jahr ihr 65-jähriges Professjubiläum und nahm bereits ihren 90. Geburtstag im kommenden Jahr in den Blick – wohl wissend, dass alles in Gottes Hand liegt.
Der Advent ist auch die Zeit des Wartens auf die Geburt des Retters und Erlösers in einem kleinen, verwundbaren Krippenkind. Diesem Kind als unserem Herrn und Meister hast Du, Schwester Reintrudis, als Dienerin der hl. Kindheit Jesu gedient. Unzähligen Säuglingen und Kleinkindern hast Du Deine Liebe und Zuwendung geschenkt. Möge Dich das göttliche Kind nun aufnehmen in seine himmlische Wohnung und Dich mit seinem Lächeln ewig erfreuen.
Sr. Katharina Ganz