Landwirtin mit sehendem Herzen für Gott und die Menschen

Schwester Eusebia wurde am 9. Juni 1931 in München geboren und wenige Tage später auf den Namen Anna Katharina getauft. Aufgewachsen ist Anni, so ihr Rufname, im oberbayerischen Voralpenland, wo sich ihr Elternhaus in Huglfing im Landkreis Weilheim-Schongau befindet. Von Geburt an hatte Anni eine starke Sehbehinderung und musste mit den daraus resultierenden Einschränkungen zurecht kommen. Sie wuchs mit drei Geschwistern in der elterlichen Landwirtschaft auf und war in den Alltag und die Aufgaben auf dem Hof eingebunden, soweit dies ihre Sehbehinderung zuließ. Von 1937 bis 1941 besuchte Anni die Volksschule in Berg-Oberhausen.

Um ihr eine bessere Förderung zukommen zu lassen, gaben die Eltern Anni als Zehnjährige in die Landesblindenanstalt in München, wo sie bis 1950 weiter beschult wurde und eine Ausbildung zur Stickerin absolvierte. Nach Abschluss ihrer Ausbildung holte sie ihre Mutter zurück in das elterliche Anwesen. Anni war inzwischen 19 Jahre alt. Neben der Arbeit auf dem Hof betreute sie die Kinder ihrer Schwester sowie von Nachbarn und Bekannten aus dem Dorf, was ihr große Freude bereitete.

Anni war sehr religiös und betete gern. In ihr reifte der Wunsch, in ein Kloster einzutreten. Sie hatte jedoch große Zweifel, ob sie aufgrund ihrer Sehbehinderung in einer Gemeinschaft Aufnahme finden würde. Während eines Exerzitienkurses hatte sie Gelegenheit, diese Frage mit dem geistlichen Begleiter, einem Franziskaner, zu besprechen. Er machte sie auf unsere Gemeinschaft aufmerksam und ermutigte sie, Kontakt mit Oberzell aufzunehmen.

Anni schrieb ihre Bewerbung an die Ordensleitung und wurde, was sie nicht zu hoffen gewagt hatte, trotz ihrer starken Sehschwäche aufgenommen. Am 27. Januar 1969, dem Todestag von Mutter Antonia, trat sie mit 37 Jahren in unsere Gemeinschaft ein und begann ihr Postulat. Schon am 3. Oktober 1969 wurde sie mit drei weiteren Postulantinnen ins Noviziat aufgenommen. Sie erhielt den Namen Schwester Maria Eusebia, ein altgriechischer Name, der „die Gottesfürchtige“ oder auch „die Fromme“ bedeutet. Nach dem zweijährigen Noviziat legte sie am 4. Oktober 1971 die Erstprofess und am 8. September 1974 die Profess auf Lebenszeit ab.

Mit der Arbeit auf dem Feld und im Stall kannte sie sich aus

Nach der Erstprofess wurde Schwester Eusebia in die Ökonomie des Antoniushauses versetzt. Mit der Arbeit auf dem Feld und im Stall kannte sie sich aus und fand sich schnell zurecht. Daneben lernte sie Brot backen, in der klostereigenen Bäckerei. Um das Sortiment von Broten und Brötchen zu erweitern, absolvierte Schwester Eusebia 1983 ein längeres Praktikum bei den Benediktinern von Münsterschwarzach. Ihr Bäckermeister, Bruder Bernhardt, war ein geduldiger Lehrmeister. Er vermittelte ihr nicht nur die Praxis, sondern händigte ihr auch die Rezepte aus. Da Sr. Eusebia aufgrund ihrer eingeschränkten Sehschwäche nicht lesen konnte, sprach er jedes Rezept auf Kassette auf, die sie zu Hause abhören konnte.

Um 1988 verschlechterte sich Sr. Eusebia Allgemeinzustand, so dass sie nur noch sehr eingeschränkt einem Dienst nachkommen konnte und mehr Unterstützung benötigte. Auch ihr Augenlicht hatte sich im Lauf der Jahre weiter verschlechtert. Wegen der Sanierung unseres Alten- und Pflegeheims Antoniushaus zog Sr. Eusebia 1996, zusammen mit anderen Schwestern, ins 
St. Raphaelsheim in Würzburg. Schon während ihrer Zeit im Antoniushaus hatte sie Kontakt zum Blindenwerk in Würzburg aufgenommen und besuchte regelmäßig verschiedene Veranstaltungen. Sie nahm gern an den Sommerfreizeiten teil, die das Blindenwerk veranstaltete, wo sie sich mit anderen Betroffenen austauschen konnte und Ermutigung erhielt. Sr. Eusebia erlernte den Umgang mit einem Blindenstock und konnte sich damit sehr selbständig in der Stadt bewegen. Sie erledigte gern kleine Einkäufe und Besorgungen oder bummelte durch die Innenstadt. Sie ging gern zu Veranstaltungen der Domschule und zu den Festgottesdiensten im Dom. Außerdem besuchte sie die Mitschwestern, die als Patientinnen im Juliusspital lagen.

Die Kinder der Christopherusschule, die in einem separaten Gebäude des Raphaelheimes untergebracht waren, hatten einen besonderen Bezug zu Sr. Eusebia. Wenn sie über den Hof ging, hörten die wilden Spiele auf und die Kinder trugen Sorge, dass Sr. Eusebia sicher ihren Weg gehen konnte. Trotz ihrer Sehbehinderung hatte Sr. Eusebia große Freude am Stricken und verschenkte gern Socken, Jacken und Pullover.

Tiefer Glaube und Gottvertrauen

Sr. Eusebia lebte aus einem tiefen Glauben und Gottvertrauen. Ja, man kann sagen, auch wenn ihre leiblichen Augen fast nichts erkennen konnten, die Augen ihres Herzens waren sehend und auf Gott und die Menschen hin, offen. Sie war eine Gottesfürchtige, wie ihr Name sagt. Sr Eusebia verehrte das Herz Jesu und die Gottesmutter Maria, auf deren Fürsprache sie fest vertraute und war eine eifrige Rosenkranzbeterin. Sie vertraute auf die Macht des Gebetes. Als eine der ersten unserer Schwestern, hörte sie die Sendungen von Radio Horeb. Sr. Eusebia beteiligte sich am Höreraustausch zu Themen des Glaubens und betete mit Radio Horeb den Rosenkranz oder andere Gebetszeiten. Oft betete sie den Rosenkranz für die Sendung vor, was über das Telefon aufgenommen wurde.

Sr. Eusebia hatte eine kräftige Stimme und sang sehr gern. Sie freute sich an kleinen Dingen, die sie mit den ihr verbliebenen Sinnen wahrnehmen konnte, an den verschiedenen Jahreszeiten mit ihrem typischen Geruch und Sinnesreizen und liebte besonders den Duft der Rosen. Zu ihrer Familie hielt Sr. Eusebia engen Kontakt und war ihren Angehörigen tief verbunden. Wenn sie mit der Bahn nach Oberbayern reiste, organisierte sie ihre Fahrt selbständig, sowohl den Gepäcktransport als auch die Umsteigehilfe mit der Bahnhofsmission.

Im Juli 2012 kehrte Sr. Eusebia ins Antoniushaus zurück. Auch hier betete sie den Rosenkranz am Brunnenplatz vor und hielt Sitzwachen bei den Schwerkranken und Sterbenden. Sr. Eusebia war eine sehr dankbare und freundliche Schwester. Sie hatte keine Scheu, ihre Zuneigung zu Mitschwestern oder Pflegerinnen in Worte zu fassen. Meist mit dem Satz: I mog di so gern.

Sie, die so viele Schwerkranke und Sterbende begleitet hatte, war in den letzten Wochen ihres Lebens sehr dankbar für jede Ansprache und Zuwendung. Verschiedene Mitschwestern wechselten sich an ihrem Krankenbett ab und begleiteten ihre letzte Wegstrecke. Am Gedenktag unserer lieben Frau von Jerusalem erfüllte sich ihre Hoffnung, in das Licht Gottes schauen zu dürfen. Möge sie ruhen in Frieden.

Sr. Rut Gerlach