Kreative Erzieherin mit Neugierde, Humor und klarem Menschenverstand

„Ich habe gerne gelebt. Und ich hatte ein sehr gutes Leben.“ Das hat Schwester Wiltrud in den letzten Wochen immer wieder gesagt. Schwester Wiltrud starb mit 94 Jahren so wie sie gelebt hat: geistig wach, humorvoll, schlagfertig, freundlich zu den Menschen, dankbar und in Gottes Willen ergeben.

„Ich bin dankbar für mein Leben. Ich hatte ein gutes Elternhaus.“ Sie kam am 29. Mai 1929 in Hungenberg in der Gemeinde Gößweinstein auf die Welt und wurde auf den Namen Maria getauft. Sie war die vierte von elf Kindern, drei Geschwister starben schon im Kindesalter, einer ihrer Brüder war im Krieg gefallen. Ihre Eltern Josef und Margarete besaßen eine Landwirtschaft.

Nach dem Besuch der Volksschule und landwirtschaftlichen Berufsschule half Maria im elterlichen Haushalt mit. Sie nähte gerne und engagierte sich in der katholischen Pfarrjugend. Schon als Jugendliche trug sie sich mit dem Gedanken, in ein Kloster einzutreten. Ihr Vater war aber zunächst nicht dafür. Mit 25 Jahren trat Maria schließlich in unsere Gemeinschaft ein. Am 3. Oktober 1955 wurde sie in das Noviziat aufgenommen und erhielt bei der Einkleidung den Ordensnamen Schwester Maria Wiltrud. 1956 legte sie die Gelübde zuerst auf drei Jahre und am 4. Oktober 1959 die Profess auf Lebenszeit ab.

Nach ihrer Erstprofess 1956 wurde Schwester Wiltrud in das ehemalige Caritas-Mädchenheim nach Schnaittach im Nürnberger Land versetzt. 1967 besuchte sie das Heimpädagogische Aufbauseminar in München und qualifizierte sich zur Fachkraft in der Heimerziehung. In diesem Jugendhilfezentrum wirkte sie 40 Jahre lang überwiegend als Gruppenerzieherin. „Ich habe gerne mit den Mädchen und Frauen gearbeitet. Wir hatten ein gutes Team,“ sagte sie immer wieder.

Mit den ihr anvertrauten Mädchen und Frauen gerne gefeiert, gebacken, gebastelt und gekocht

Die Mädchen und Frauen haben sie sehr geliebt. Sie setzte sich sehr für sie ein, hat mit der Gruppe Feste gefeiert, gebacken, gebastelt, gekocht, ist mit ihnen spazieren gegangen, hat Nachtwanderungen unternommen und vieles mehr. In ihrer Zeit haben sich die strengen Regeln der Heimpädagogik nach und nach gelockert. Ihr humorvolles und frohes Wesen machten es leicht, Sr. Wiltrud zu mögen. Sie pflegte viele Kontakte. Schon in Schnaittach hat sie an Schafkopfturnieren teilgenommen, später auch in St. Ludwig. Gern ging sie auf Reisen, auch ins Ausland oder fuhr im Ruhestand bei Kaffeefahrten mit.

Nach der Auflösung des Konventes in Schnaittach 1996 wurde Schwester Wiltrud in den Konvent Nazareth in Würzburg versetzt. Hier engagierte sie sich ehrenamtlich im Haus Antonia Werr mit wohnungslosen Frauen. Im Wohnzimmer war sie einfach da. Sie unterhielt sich mit den Frauen, bastelte, strickte, spielte und feierte mit den Frauen, die niemanden hatten, ihren Geburtstag.

Als in der Nacht zum 15. September 2011 der Dachstuhl im Haus St. Hildegard brannte, verloren die Bewohnerinnen unserer Frauenwohngemeinschaft und die Schwestern des Konventes Nazareth ihr ganzes Hab und Gut. Nur mit dem, was sie auf dem Leib trug, zog Schwester Wiltrud ins Mutterhaus um. Mit einem lachenden Auge, weil sie überlebt hatte, und einem weinenden Auge, weil der Schock noch allen in den Gliedern steckte, sagte sie am nächsten Morgen: „So schnell habe ich noch nie losgelassen“. Allerdings hat sie gerne Menschen beschenkt. Manchmal passierte es, dass sie im Beisein der Person, die ihr kurz vorher etwas geschenkt hatte, dieses Geschenk wieder an jemand anderen weiter schenkte. Aber übel nehmen konnte man ihr das nicht.

Sie liebte die Gemeinschaft

Schwester Wiltrud liebte die Gemeinschaft und bereicherte das Konventsleben durch ihre Geselligkeit, ihre Freude an Spiel und Spaß, ihre Liebe zu den Handarbeiten, ihren Humor und ihren klaren Menschenverstand. Sie war aufgeschlossen, kontaktfreudig und ziemlich neugierig. Sie hat gut für andere gesorgt, war großzügig, hat sich aber auch das geholt, was sie selber brauchte. Da konnte sie sehr zäh sein und ließ nicht locker. Sie war schonungslos offen und sagte gerade heraus, was sie dachte. Kritik und Lob konnte sie gleichermaßen äußern. Sie ließ sich nicht so leicht von ihrer Meinung abbringen. Und verbiegen ließ sie sich erst recht nicht.

Auch von Knieoperationen oder Hüftleiden ließ sie sich nicht unterkriegen. Als ihr das Laufen schwerer fiel, machten ihr die langen Gänge im Mutterhaus zu schaffen. So wurde sie im Juli 2014 in den Konvent Padua versetzt. Und sie hat mit den Schwestern im Antoniushaus gegessen. Ihr Zimmer in Padua hat sie geliebt. So gerne sie in Gemeinschaft war, so gut konnte sie auch mit sich selbst etwas anfangen und alleine sein. Besonders freute sie sich, jetzt mehr Zeit mit, bei und vor Gott zu verbringen. Sie genoss die Zeit, die ihr die letzten Jahre schenkten und lebte nun ganz aus ihrer Gottesbeziehung.

Im Juni 2020 ist Schwester Wiltrud dann auf die Pflegestation gezogen. Noch immer verbrachte sie viele Stunden mit Basteln und Handarbeiten. Für Babys fertigte sie kleine Schühchen und Strümpfe, verschenkte gehäkelte Schmetterlinge, Perlenfische und Fröbelsterne.

Nach einem Sturz im August 2023 war sie auf den Rollstuhl angewiesen. Die letzten Monate waren nicht leicht für sie. Angst vor dem Sterben hatte sie nicht. Immer sagte sie: „Alles, wie Gott will.“

Bis zuletzt hielt sie Kontakt zu ihren Nichten und Neffen sowie zu Ehemaligen. Sie freute sich über jeden Besuch, der zu ihr ins Zimmer kam und war dankbar für jede kleine Geste, jedes gesungene Lied oder gesprochene Gebet. In der Nacht zum 30. Januar aß sie noch einen halben Joghurt und schlief dann ruhig ein.

Wir dürfen glauben, dass sich erfüllt hat, was sie so gerne betete:

Seele Christi, heilige mich.
Leib Christi, rette mich.
Blut Christi, tränke mich.
Wasser der Seite Christi, wasche mich.
Leiden Christi, stärke mich.
O guter Jesus, erhöre mich.
Birg in deinen Wunden mich.
Von dir lass nimmer scheiden mich.
Vor dem bösen Feind beschütze mich.
In meiner Todesstunde rufe mich,
zu dir zu kommen, heiße mich,
mit deinen Heiligen zu loben dich
in deinem Reiche ewiglich. Amen.

Sr. Katharina Ganz, Generaloberin