Eine zarte Seele

Am 5. März ist Schwester M. Luitgardis Hofmann (85) gestorben. Geboren wurde sie am Neujahrstag 1936 als zweites Kind des Schlossers Alfred Hofmann und seiner Frau Johanna und am folgenden Tag auf den Namen Giselinde Maria getauft. Sie kam an der hessischen Grenze in Albstadt zur Welt, „der ersten Stadt Bayerns“, wie sie gerne mit einem Augenzwinkern scherzte.

Nach dem Besuch der Volksschule trat Giselinde im August 1950 ins Kloster Oberzell ein. Da sie noch sehr jung war, besuchte sie ein halbes Jahr die hauswirtschaftliche Berufsschule im Kloster Oberzell. Sie nahm am Jahreskurs der Haushaltungsschule in Oberzell teil und verbrachte ein Jahr in der Frauenfachschule in Oberzell, wo sie sich auf den Beruf als Handarbeitslehrerin vorbereiten konnte.

Am 1. September 1953, zogen der Kindergarten, das Seminar und die Frauenfachschule nach dem Wiederaufbau nach Würzburg ins neu errichtete Haus „St. Hildegard“. Giselinde nahm am zweijährigen Lehrgang in der Frauenfachschule teil. Nach einem weiteren pädagogischen Jahr legte sie die erste Lehramtsprüfung für Handarbeit 1956 ab. Danach besuchte Giselinde noch ein Jahr die Frauenfachschule der Armen Schulschwestern in München und sich unterzog der Staatsprüfung in der Nadelarbeit und Hauswirtschaft. Die erste Lehramtsprüfung für Hauswirtschaft legte sie nach einem weiteren Jahr in Neumarkt / Oberpfalz 1958 ab. Parallel dazu machte sie eine verkürzte Lehre zur Damenschneiderin mit Gesellenprüfung.

Mit 22 Jahren wurde Giselinde schließlich in das zweijährige Noviziat aufgenommen und erhielt den Namen Schwester M. Luitgardis. 1960 legte sie die Erstprofess ab und1963 die Profess auf Lebenszeit. Nach der Erstprofess machte sie von 1960 bis 1962 in Langendorf-Hammelburg das Vorbereitungspraktikum für die zweite Lehramtsprüfung der Lehrerinnen für Handarbeit und Hauswirtschaft.

Nach ihrer langen Ausbildung wurde Schwester Luitgardis zunächst fünf Jahre lang bis 1967 als Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerin in Dettingen, im Landkreis Aschaffenburg, eingesetzt. Anschließend kam sie nach Schondra in die Rhön, wo sie die letzten drei Jahre auch Konventsoberin war. Aus Schondra bekam sie später noch oft Besuch. Sie war dort sehr beliebt. Von 1981 bis 1985 leitete sie das St. Antoniusheim in Bad Brückenau, in das viele Schwestern zur Erholung kamen.

Einfühlsam und verständnisvoll

Dann kam zog sie ins Mutterhaus nach Oberzell um, wo sie im Noviziatskonvent lebte. Beim Generalkapitel 1989 wurde Schwester Luitgardis für sechs Jahre zur Generalrätin gewählt. Während dieser Zeit musste sie zahlreiche Filialen mit auflösen. Das kostete sie viel Kraft. 1995 wurde Schwester Luitgardis Oberin im Franziskushaus, wo damals noch rund 30 ältere Schwestern lebten, die sie einfühlsam und verständnisvoll betreute.

Ab 2002 lebte sie wieder im Mutterhaus und war nun an der Pforte eingesetzt. Hier kam sie mit vielen Menschen zusammen. Mit großer Liebe und Freundlichkeit versah sie diesen Dienst. Durch ihr entgegenkommendes und ruhiges Wesen war sie bei Besuchern, Gästen, Mitarbeiterinnen und Schwestern beliebt. Als 2015 eine neue Telefonanlage angeschafft wurde, musste sie ihren geliebten Pfortendienst aufgeben und wurde in den Konvent Padua versetzt. Dieser Abschied und Übergang ist ihr schwer gefallen. Aufgrund nachlassender Kräfte musste sie im August 2020 auf die Pflegestation im Antoniushaus umziehen. Nach Sturz und Operation starb sie auf der Palliativstation des Würzburger Juliusspitals in der Nacht am 5. März und ging heim zu Gott, nach dem sie sich schon lange sehnte.

Schwester Luitgardis war im guten Sinne des Wortes eine tief gläubige und fromme Frau. Sie lebte ganz aus der heiligen Schrift und einer innigen Christusbeziehung. Die Feier der Eucharistie, die Anbetung, das Gebet und die Meditation waren ihre Seelennahrung. Gerne war sie Lektorin und saß im Antoniushaus in der Kirche an einem Platz nahe beim Tabernakel. In der Fußgängerzone in Würzburg wurde sie von einem Reporter einmal gefragt, wer Jesus für sie sei. Spontan erwiderte sie: „Mein Ein und Alles.“ Vor wenigen Wochen hatte sie sich einmal im Mutterhausgelände verlaufen. Dabei hatte sie doch bloß zur Anbetungsstunde in die Sakramentskapelle gewollt.

Schwester Luitgardis war von zarter körperlicher Konstitution und eine zarte Seele. Sie war hilfsbereit, liebenswürdig, freundlich, bescheiden, zuvorkommend und ruhig. Sie konnte keinen Streit vertragen, war ausgleichend und versöhnlich. Sie liebte die Stille, hatte Freude an der Natur und an Blumen. Eine Zeitlang hatte sie auch die Sakramentskapelle geschmückt. Neben Bastelarbeiten machte sie auch gerne Handarbeiten mit dem Namen Jesus.

Sie hielt intensiven Kontakt zu ihren Verwandten und pflegte eine reiche Korrespondenz. In ihrem Nachlass fand sich ein Gespräch mit dem eigenen Tod, das sie am 15. Mai 1989 aufgeschrieben hatte:

„Herr, ich sehe vor mir das Bild, wo ein Mensch (ich) dem Tod gegenüber sitzt. Er ist die Schranke, die Grenze von meinem Leben zu meiner Ewigkeit, zu DIR. Mir macht der Tod nicht Angst: Denn er ist notwendig, um endgültig zu Dir zu kommen. Ich bin ja auf Dich hin geschaffen, angelegt, darum kann es doch nicht anders sein. Du gabst mir das Leben, mein Wesen, das mich wert und einmalig macht und Du kamst in diese Welt, um auch mir ein ‚Leben in Fülle‘ zu schenken. Du gibst mir dazu die Zeit, den Augenblick. Ich weiß nicht, wie viel Zeit es sein wird, wie viele Jahre, wann mein Lebensmaß voll ist. Aber ich spüre in mir eine Sehnsucht, wie sie in Simeon gelebt hat, Dir von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Lass mich mit dem Tod, wie meinem Bruder, durch meine Tage gehen – , auf Du und Du mit ihm. Schenke mit jene aufmerksame, bereite Wachsamkeit, die Deine Klopfzeichen rechtzeitig wahrnimmt. Vieles habe ich schon hinter mir gelassen, vieles ist noch unerlöst. Heile durch Deine Heilsgeschichte meine Lebens-, meine Unheilgeschichte. Gib mir für Jetzt und Hier und Heute Deinen Hl. Geist. Führe mich durch Ihn hinweg über meine Grenzen und Lebensängste in die Weite und Freiheit der Liebe Gottes. – Hilf mir zu verstehen, wann und wie ich Dinge, Menschen, mich selbst lassen muss, um bereit und frei zu sein, ins Licht, ins Leben zu gehen. Gib mir im Sterben die tiefe und tröstliche Gewissheit, von Dir erwartet zu werden, in DEINE Arme zu fallen, um zu leben. Ich lebe ins LICHT! Wer recht zu leben weiß, der weiß auch recht zu sterben!“

Sr. Katharina Ganz, Generaloberin