Kräutergarten – Die Arzneipflanze des Jahres 2018 ist der Gewöhnliche oder Weiße Andorn oder Marrubium vulgare. Zu finden ist sie auch im Oberzeller Kräutergarten.
Heilpflanzen wie Lavendel, Salbei, Rosmarin und Andorn sind ursprünglich an den Küsten des Mittelmeerraumes beheimatet und kamen von dort über die Alpen zu uns. Mit den Namen der ersten drei – Lavendel, Salbei, Rosmarin – haben wohl die meisten Menschen die violett-rosafarbenen Blüten vor Augen und den aromatischen Duft in der Nase. Doch wer kennt den Andorn? Dass diese Heilpflanze kaum einem Pflanzenliebhaber bekannt ist, ist leicht nachzuvollziehen: Die Blüten sind klein und unauffällig, der Duft ist im Vergleich zu Lavendel und Co. kaum aromatisch und der Geschmack zudem stark bitter. Dennoch zählte der Gewöhnliche Andorn von der Antike bis ins 18. Jahrhundert zu den bedeutendsten Heilpflanzen in Europa.
Medizinische Bedeutung
In keiner der wichtigen Quellen der Klostermedizin fehlt der Andorn: So wird marrubium zum Beispiel in der „Materia medica“ des Pedanios Dioskurides, verfasst 60 n.Chr., bei Atemwegserkrankungen und als Schleimlöser empfohlen. Hierzu sollen Blätter und Samen in Wasser gekocht oder der frische Saft der Blätter mit Honig eingenommen werden. Aus dem 4. Jahrhundert stammt der „Pseudo Apuleius“ in dem ihm ein besonders umfangreiches Kapitel gewidmet wird. Es beinhaltet verschiedenste Zubereitungsformen und Anwendungsgebiete: Andorn in Honig gekocht bei Lungenleiden, Andorn-Pflanzensaft zur Linderung von Magenschmerzen und Fieber oder eine Einreibung bei Fußschmerzen und Krämpfen aus Andorn-Pflanzensaft vermischt mit Rosenöl. Im „Lorscher Arzneibuch“, aus dem späten 8. Jahrhundert, wird er u.a. mit Ingwer zu Hustenpillen verarbeitet, die bei chronischem Husten helfen sollen. Weitere Rezepturen und Empfehlungen finden sich bis zum 18. Jahrhundert. Dann verliert er seine wichtige Rolle. 2018 wird er zur Arzneipflanze des Jahres gekürt, da seine Anwendung eine lange Tradition hat und historisch sehr gut belegt werden konnte. Ebenso spricht für ihn, dass er sehr wenige Nebenwirkungen hat. Heute werden seine Blätter und Blüten als Tee, alkoholischer Auszug oder Presssaft zubereitet. Im Vordergrund steht seine aktivierende Wirkung bei schwacher Verdauung, die einhergehen kann mit Völlegefühl, Verstopfung, Blähungen und Appetitlosigkeit und geringem Gallenfluss. Aufgrund der langen Tradition wird er auch heute bei verschleimten Bronchien und Husten empfohlen. Neben seiner schleimlösenden Wirkung soll er auch entzündungshemmend wirken.
Andorntee
1,5 g fein geschnittenes Andornkraut mit 150 ml kochendem Wasser übergießen, 5 bis 10 Minuten ziehen lassen; bei Husten mehrmals täglich trinken und mit Honig süßen. Als verdauungsfördernder Tee 30 Minuten vor dem Essen trinken. Tagesdosierung beträgt maximal 4,5 g getrocknetes Kraut.
Andorn im Garten
Der Andorn bildet einen etwa 30-45cm hohen, kuppelförmigen Busch aus graugrünen Blättern. Seine Blattoberseite ist durch die tiefe netzförmige Nervatur sehr auffallend. Die Blattunterseite und die Stängel sind hell filzig behaart. Zur Blütezeit verlängern sich die aufrechten, unverzweigten Blütenstängel. In der Blattachse zweier gegenüberliegender Blätter sitzen dicht gedrängt und den Stängel umrundend die Blüten, wobei sich aber immer nur einzelne kleine weiße Blüten öffnen. Für bunte Heilpflanzen wie der dunkelviolett blühenden Wilden Malve, dem leuchtend gelben Johanniskraut oder dem violetten Lavendel bildet der Andorn einen dezenten Hintergrund. Er gedeiht gut in der Nachbarschaft mit seinen Mittelmeerkollegen wie Salbei und Rosmarin, mit ihnen zusammen ergibt sich ein attraktives Wechselspiel zwischen den verschiedenen Grüntönen. Prinzipiell ist der Andorn mehrjährig, winterhart und anspruchslos. Die Vermehrung erfolgt durch Aussaat ins Beet ab März bis April, es gibt inzwischen aber auch Jungpflanzen zu kaufen. Am besten gedeiht er im lockeren, durchlässigen und kalkhaltigen Boden an einem sonnigen bis halbschattigen Platz. Die Erde sollte nie völlig austrocknen.
Katharina Mantel