Synodalversammlung: „Die Tage haben mich emotional, psychisch und physisch sehr viel Kraft gekostet“

In Frankfurt am Main startet am 9. März 2023 die fünfte und vorerst letzte Synodalversammlung. Mit dabei ist auch Generaloberin Sr. Dr. Katharina Ganz – und diesmal nicht als Beraterin, sondern als Synodale mit Stimmrecht. Sie ist für Sr. Franziska Dieterle nachgerückt, die aus persönlichen Gründen als Synodale ausgeschieden ist. Die DOK (Deutsche Ordensoberenkonferenz) hat Sr. Katharina das Mandat übertragen.

Wir möchten Euch auch in diesen Tagen über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden halten…

Donnerstag, 9. März 2023

Heute um 14 Uhr geht’s los in Frankfurt. Es gibt einen Livestream unter www.synodalerweg.de, in dem Interessierte die Versammlung verfolgen können. Auch die Pressekonferenz um 13 Uhr wird bereits übertragen. Alle Beratungen im Plenum sowie der Abschlussgottesdienst am Samstag (15 Uhr) sind auf Deutsch, Englisch, Italienisch und in Gebärdensprache abrufbar.

Für den Auftakt dieser Synodalversammlung hat sich der Berufsverband der Pastoralreferent*innen Deutschlands einen sehr kreativen Beitrag überlegt: Insbesondere Esther Göbel und Marcus Schuck forderten, dass es neben der Textarbeit in den Synodalforen auch eine kreative Arbeit mit einem Zeichen der Umkehr geben muss. „Am Anfang stand die Idee eines Schuldbekenntnisses der Synodalversammlung für die Missbrauchstaten, um einzugestehen und ins Wort zu heben, dass nicht nur einzelne Täter gegenüber ihren Opfern schuldig geworden sind, sondern auch die Kirche als Ganze“, schreibt Esther Göbel in ihrer Vorstellung der Aktion (hier nachzulesen).

Geworden ist aus der Idee in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Elisabeth Lutz und ihrem Choreograhie-Team die künstlerisch-existentielle Performance „verantwort:ich“, die erstmals am Donnerstagabend (9. März 2023) um 21 Uhr während der fünften Synodalversammlung im Frankfurter Dom gezeigt und auch im Livestream (www.synodalerweg.de) übertragen wird. Nach der Premiere wird die Performance hier zur Verfügung stehen.

Den Videobeitrag, den Sr. Katharina für diese Aktion aufgenommen hat, können Sie nach der offiziellen Premiere auch bei uns einsehen (Klick auf das Bild öffnet das Youtube-Video):

 

 

 

 

 

 

 

 

Demonstrant*innen haben die Bischöfe heute Mittag vor dem Tagungshaus empfangen, der erste Text zu Priestern wurde angenommen. Bei katholisch.de gibt’s den ersten Tag im Liveticker.

Seit 2020, seit die erste Synodalversammlung in Frankfurt getagt hat, sei viel passiert, sagt Sr. Katharina. „Es ist wirkliches Zuhören, ein Miteinander auf Augenhöhe, ein gemeinsames Entscheiden entstanden. Ich erlebe vor allem auch die informellen Gespräche in den Pausen und am Abend als sehr fruchtbar und bereichernd.“ Ängste und Hemmschwellen seien abgebaut worden, so die Generaloberin weiter, die zunächst als Beraterin und jetzt als Synodale an der Versammlung teilnimmt. Das seien vielleicht weiche Faktoren, die aber auch wichtig seien für eine synodale Kirche. Sr. Katharina betont aber auch, dass die Versammlung über Themen spreche, die eigentlich schon vor einem halben Jahrhundert hätten abgeräumt werden müssen.

Dass die Schreiben aus Rom in den vergangenen Wochen und Monaten einen Teil der Bischöfe beeinflusst hat, spürt Sr. Katharina bei der aktuellen Synodalversammlung. „Man hat teilweise den Eindruck, dass die Verantwortung gegenüber dem Volk Gottes, das eigene Gewissen und auch das Hören auf die Zeichen der Zeit nicht so ernst genommen werden, wie der Gehorsam nach oben innerhalb der kirchlichen Hierarchie.“ Trotz der Schwierigkeiten und Herausforderungen sieht die Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen bereits jetzt auch einen Erfolg: „Der Lohn für die Mühe ist tatsächlich, dass wir zusammen geblieben sind als Kirche, dass es keine Spaltung gibt und auch keinen Sonderweg der deutschen Kirche“. Der Prozess, den auch Papst Franziskus ein Jahr nach dem Start des synodalen Weges in Deutschland angestoßen habe, zeige zudem, „dass alle Themen, die wir hier in Deutschland beraten, weltkirchliche Anliegen sind. Sie kommen aus allen Teilen der Welt: die Fragen nach der Stellung und Rolle der Frauen, die Frage nach der Zulassung zum Frauendiakonat oder auch anderen Weihestufen und die Frage nach einer stärkeren Beteiligung der Gläubigen.“

Freitag, 10. März 2023

Der Tag begann für Sr. Katharina direkt mit einem Interview: Christoph Heinemann vom Deutschlandradio hatte die Generaloberin zum Gespräch gebeten. Das am Morgen um 8.10 Uhr gesendete Interview können Sie hier nachhören.

 In der Mittagspause hat uns Sr. Katharina ein erstes Statement geschickt (Klick auf das Bild öffnet das Video):

 

 

 

 

 

 

 

Sr. Katharina war heute bei weiteren Medien gefragt. So hatte das ZDF in der Mittagspause zum Interview gebeten, das katholische Medienhaus hat mit ihr gesprochen und die Tagesschau zitiert Sr. Katharina. Zudem schildert Sr. Katharina ihre Eindrücke in den Hörfunksendungen der Radioredaktion des Bistums Würzburg.

Bistum Würzburg: Kirchenradio mit Sr. Katharina Ganz

Heute-Journal im ZDF: Katholische Kirche: Reformprozess geht voran

katholisch.de: Katharina Ganz über die Synodalversammlung und die Unruhe in den Orden

Tagesschau: Homosexuelle Paare sollen Segen erhalten

Domradio.de hat zudem zwei Mitschnitte von Statements in der Versammlung veröffentlicht: Sr. Katharina zur Rolle der Frauen und Sr. Katharina zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare

Bayerischer Rundfunk: Jetzt kommt es auf die Bischöfe an

In der Zeit Online wird Sr. Katharina zitiert: Synodalversammlung stärkt Laienrechte leicht, ebenso in der Süddeutschen Zeitung: Katholische Kirche in Deutschland macht Weg für Segensfeiern für homosexuelle Paare frei und in der Frankfurter Rundschau: Katholische Kirche: Prüfen statt wirksam beschließen

Angespannte Erwartung eines Abstimmungsergebnisses bei den Mitarbeiterinnen im Frauenforum. Danke an Dr. Daniela Engelhard für das Foto.

Wir beantragen, mit Krücken gehen zu können, bevor wir endlich irgendwann den freien Gang üben dürfen.

 

Samstag, 11. März 2023

Mit einem Gottesdienst im Frankfurter Bartholomäus-Dom ist die fünfte und abschließende Synodalversammlung heute zu Ende gegangen. Ausführliche Infos sowie die beschlossenen Handlungstexte finden sich unter www.synodalerweg.de.

„Nach mehr als drei Jahren schließen katholische Kleriker und Laien ihren Reformprozess ab, allen Unkenrufen zum Trotz. Die Frauen aber müssen sich mit einem Mini-Fortschritt begnügen….“ schreibt die Süddeutsche Zeitung heute in ihrem Artikel mit dem Titel Millimeter für Millimeter vorwärts, in dem auch Sr. Katharina mit ihrem bewegenden Statement zu Wort kommt.

Auch in den Tagesthemen in der ARD ist Sr. Katharina an diesem Samstagabend zu sehen und zu hören: ARD-Tagesthemen vom 11. März 2023

Ich bin existenziell von diesen Fragen betroffen.
Meine innere Wunde wird erst heilen, wenn wir den vollen Zugang zu den Ämtern haben.

Nach drei anstrengenden Tagen hat uns Sr. Katharina noch eine Nachricht geschickt:

 

 

 

 

 

 

 

Die DOK hat Ordensleute gebeten, für Orden.de abschließend ihre Eindrücke und Wahrnehmungen zu schildern. Der entstandene Artikel dokumentiert ihre teilweise sehr persönlichen Statements. Sr. Katharina schreibt:

„Gestern bin ich sehr erschöpft nach der letzten Synodalversammlung nach Hause gefahren. Die Tage haben mich emotional, psychisch und physisch sehr viel Kraft gekostet. Auch von anderen Synodalen habe ich Ähnliches gehört. Als gestern der Text zur sakramentalen Weihe von Frauen* behandelt wurde, obwohl es zunächst gar nicht danach aussah, dass wir dafür noch Zeit finden würden, bin ich während der Debatte in Tränen ausgebrochen. Ich wollte das auf keinen Fall, konnte es aber nicht verhindern. Einige Statements ließen meine innere Wunde aufbrechen, diese tiefe Verletzung, kein sakramentales Amt in unserer Kirche bekleiden zu können, ja nicht einmal nach meiner Berufung gefragt zu werden, nur weil ich eine Frau bin. Als ich meinen Schmerz nicht mehr zurückhalten konnte, überlegte ich zuerst meine Wortmeldung von der Redeliste zu löschen und den Saal zu verlassen. Es war mir peinlich, dass ich so schluchzend dasaß. Dann aber schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass nicht ich mich hier zu schämen brauche, sondern vielmehr alle sich schämen müssten, die das Leid von (berufenen) Frauen* und an Frauen* in unserer Kirche verursacht haben und weiter zulassen. Also beschloss ich sitzen zu bleiben und mich mit meinem Gefühlszustand insbesondere den Synodalen in meiner unmittelbaren Nachbarschaft zuzumuten. Bis ich an die Reihe kam mich zu äußern hatte ich mich so weit gefangen, dass ich wieder die wenigen Sätze sprechen konnte, die ich letztendlich gesagt habe.
Erst danach verließ ich meinen Platz in den Reihen der Synodalen und gesellte mich zu den Berater*innen aus dem Frauenforum, mit denen ich während des Synodalen Weges intensiv zusammen gearbeitet habe. Diese Gemeinschaft zu spüren, hat mir gut getan und mich getröstet. Wir haben in den drei Jahren und ganz besonders in diesen letzten drei Tagen, Wissen und Schmerz geteilt, Wut und Ohnmacht ausgehalten, Strategien geschmiedet und an Texten gefeilt. Am Ende nach der Abstimmung des modifizierten Textes zum sakramentalen Ordo haben wir gestern froh und erleichtert – wenn auch mit Abstrichen – das Erreichte gefeiert.
Meinen Glauben leben und Kirche sein – das ist meine Erfahrung – kann ich nur, indem ich verletzlich bleibe. Dabei riskiere ich freilich erneut verletzt zu werden. Und dennoch liegt in diesem Wagnis der Verletzbarkeit auch die Chance der Menschwerdung und Zeugnis eines authentischen Glaubens und Lebens… Nachdem ich mich gestern so schutzlos gezeigt hatte, habe ich große Solidarität erlebt, eine echte Geschwisterlichkeit, Wertschätzung und Achtung – überhaupt kein falsches Mitleid oder aufgesetzte Worte. Das hat mich tief berührt und macht mich dankbar. Wenn wir es als Kirche und Glaubensgeschwister schaffen uns ohne Masken zu zeigen und mit großem Respekt zu begegnen, andere Meinungen stehen zu lassen ohne übereinander herzufallen oder einander zu verurteilen, dann mag ich gerne weiter Christin sein in dieser Kirche und an ihre Erneuerungsfähigkeit glauben. Anlass dazu sehe ich jedenfalls – jenseits aller Beschlüsse und verabschiedeten Texte – in der Kultur des achtsamen Umgangs miteinander, die nicht durchgängig da war, aber auf jeden Fall gewachsen ist.“

Alle Statements können Sie hier nachlesen: „Zwischen Freude und Enttäuschung, Dankbarkeit und Schmerz“: Die Ordensleute beim Synodalen Weg

 

Den Ausschnitt ihres bewegenden Statements während der Versammlung hat Domradio.de veröffentlicht: Sr. Katharina Ganz fühlt sich übergangen, weil sie „Frau“ ist

Abschließend gibt’s noch ein paar Eindrücke von der Versammlung, vielen Dank an Marcus Leitschuh für die Fotos: