Solidarität im Frauenhaus

Das Haus der Frauen, im 19. Jahrhundert gebaut, ist ein fünfstöckiger Bau mit einem breiten, halbrundenDas Haus der Frauen, im 19. Jahrhundert gebaut, ist ein fünfstöckiger Bau mit einem breiten, halbrundenFrontgiebel. Es ist Zufluchtstätte für Frauen aus aller Welt.

Das Leben zweier Frauen ist mit eben diesem Haus verknüpft und wird in zwei Erzählsträngen geschildert. Da ist zum einen Solène, eine 40-jährige erfolgreiche Anwältin in Paris, die mitansehen muss, wie ihr Klient sich nach einem verlorenen Prozess in den Lichthof des Justizpalastes stürzt. Dies und die Trennung von Jeremy, der Liebe ihres Lebens, stürzt sie selbst in einen Burn-out. Ihr Psychiater empfiehlt ihr, ein Ehrenamt anzunehmen und anderen zu helfen.

Sie entscheidet sich für das Haus für Frauen. Ihre Aufgabe wird es, die Bewohnerinnen bei deren Korrespondenz zu unterstützen. Insgesamt leben in der Pariser Unterkunft mehr als 400 Frauen: Alleinstehende, Frauen mit Kindern, Frauen ohne Papiere, Migrantinnen, ehemalige Obdachlose. Jede hat ihre eigene Geschichte und einige wird Solène näher kennenlernen. 

Zunächst jedoch ignorieren sie die Frauen. Erst als sie deren Vertrauen gewonnen hat, bitten sie Solène zunehmend um Hilfe. Ihre Arbeit wird geschätzt: Sie schreibt einen Beschwerdebrief wegen zwei Euro, die im Supermarkt zu viel verlangt wurden, schreibt einen Brief an den zurückgelassenen Sohn einer Afrikanerin, die mit ihrer Tochter aus Guinea geflüchtet ist, um sie vor der Beschneidung zu schützen. Für eine Serbin beantragt sie ein Autogramm bei Königin Elizabeth II., sie schreibt im Auftrag Liebesgedichte und erfährt bei ihrer Tätigkeit auch immer mehr über das Leben der Frauen am unteren Rand der Gesellschaft. Sie, die behütet und ohne Not aufgewachsen ist, lässt sich immer intensiver auf dieses Thema ein. Ohne das Haus der Frauen hat sie die Not ausgeblendet, weggeschaut, wenn sie an Obdachlosen vorbeiging. Jetzt aber setzt sie sich mit deren Situation auseinander.

Dabei erkennt Solène auch, was in ihrem Leben falsch gelaufen ist. Stets hat sie sich den Wünschen anderer gebeugt und ihre eigenen verleugnet. Sie erlebt, dass sie sich im Kreis der Frauen gehen lassen kann, nicht immer stark sein muss, dass sie Trost empfindet, aber auch eine unbändige Lebendigkeit. Dieses Haus hat auch sie gerettet!

Blanche, deren wahre Geschichte in den Roman eingewoben ist, hat dieses Haus erst möglich gemacht. Sie war führendes Mitglied der Heilsarmee in Frankreich. Zeit ihres Lebens setzte sie sich für die Menschen ein, die am Rand der Gesellschaft stehen. Nächtelang war sie draußen unterwegs, um Obdachlosen zu helfen, oft bis zum Rand der Erschöpfung. Ihr enormer Wille, ihre Unerschrockenheit und ihre Stärke ließen sie immer wieder über sich hinauswachsen. Sie ignorierte ihre angeschlagene Gesundheit und zusammen mit ihrem Mann Albin erfüllte sie sich einen Lebenstraum: einen Ort zu schaffen ,in dem Frauen eine „rettende Unterkunft“ finden – den Palast der Frau.

Das „Haus der Frauen“ ist ein berührendes Buch über Mut, Menschlichkeit und weibliche Willenskraft. Darin finden sich viele schöne, einprägsame Sätze, wie „Glücklich sind die mit den Rissen im Leben, denn sie lassen das Licht herein“ oder „Es gibt Briefe, die man nur mit der Hand schreiben kann, die einem das Herz diktiert.“

Mein Rat: Unbedingt lesen – auch für Männer geeignet.

Laetitia Colombani: Das Haus der Frauen. S.Fischer Verlage 2020, 20 Euro.

Claudia Lüke