Plötzlich sprachlos – stumm

Evangelium – Schwester Alexandra Gambietz schreibt über Sprachlosigkeit, wie sie in der Bibel vorkommt: die Geschichte des Priesters Zacharias und seiner Frau Elisabeth.

Sprachlosigkeit erfährt der Mensch oftmals bei Ereignissen, die plötzlich von außen auf ihn zukommen. Es kann eine große Freude sein, genauso wie großer Schmerz oder Entsetzen. Ein schlimmes Erlebnis kann den Menschen um seine Sprache bringen. Während Sprachlosigkeit den Menschen überfällt, ist Schweigen eine bewusste Entscheidung. Bei Redewendungen, in Gedichten und Märchen sowie generell in der Literatur, begegnet man diesem Phänomen der Sprachlosigkeit immer wieder in unterschiedlichen Situationen. 

Sprachverlust zum Lobpreis Gottes

Auch die Bibel, das Buch in dem die Heilsgeschichte Gottes mit dem Menschen erzählt wird, kennt das Phänomen der Sprachlosigkeit. Am Anfang des Lukas-Evangeliums wird berichtet, wie Gott den Menschen in sein Heilshandeln einbeziehen will. Aber oft stößt Gott auf Widerstand. Der Unglaube des Menschen kann aber Gott nicht daran hindern, das Heil für sein Volk zu wirken. Der jüdische Priester Zacharias, ebenso betagt wie seine Frau Elisabeth, wohnt in einem kleinen Bergstädtchen bei Jerusalem. Sie haben ihr Leben auf Gott ausgerichtet und in allem so gelebt, wie es vor Gott recht ist. Sie haben keine Kinder und sind in einem Alter, in dem man keine Nachkommen mehr erwarten kann. Elisabeth ist vom Unglück und der Schmach kinderlos zu sein sehr betroffen, da sie als unfruchtbar gilt. Diese Zukunftslosigkeit aufgrund der Kinderlosigkeit liegt wie ein dunkler Schatten über dem Abend ihres Lebens. Wenn so eine tiefe Sehnsucht immer wieder enttäuscht wurde prägt diese schmerzliche Erfahrung das Innere des Menschen.

Zacharias vollzieht seinen priesterlichen Dienst im Tempel zu Jerusalem, so wie er durch das Los bestimmt wurde. Er hat die Hoffnung aufgegeben, dass Gott sein Leben fruchtbar machen wird durch leibliche Kinder. Eigentlich können er und seine Frau nichts mehr erwarten, was ihr Leben ändern könnte.

Und dann geschieht es doch: Zacharias wird plötzlich im Tempel von der Gegenwart Gottes überrascht. Mitten in seinem priesterlichen Dienst überkommt ihn ein tiefes Erschrecken, eine große Furcht erfüllt ihn. Der Engel Gottes erscheint Zacharias und redet den erschrockenen Priester an: „Fürchte dich nicht.“ Dann verkündet der Sendbote Gottes die frohe Botschaft, dass der lang erbetene Nachkomme von Gott geschenkt werden wird. Elisabeth wird auf natürliche und dennoch wunderbar gottgewirkte Weise einen Sohn empfangen und soll ihn Johannes nennen. Es ist, rein menschlich betrachtet, unmöglich, aber hier ist Gott am Werk. Gott ergreift die Initiative. Es sieht fast so aus, als ob Gott so lange zuwartet, bis menschlich nichts mehr zu erwarten ist, um sein göttliches Handeln deutlich zu machen. Zacharias kann nicht glauben, dass sich im hohen Alter erfüllen soll, wonach er sich ein Leben lang gesehnt hat.

„Woran soll ich dies erkennen?“ fragt er. Zacharias fordert ein Zeichen, eine Bestätigung der Verheißung. Dieses Zeichen wird Zacharias gegeben, wenn auch auf schmerzliche Weise: Der Engel gibt seinen Namen Gabriel preis und bestraft Zacharias für seine schwache Glaubenshoffnung mit vorübergehender Stummheit. Der plötzliche Verlust der Sprache lässt Zacharias erkennen, dass Gott am Werk ist. So ist die vorübergehende Sprachlosigkeit ein Zeichen für seinen Unglauben.

Neun Monate stumm

Diese Zeit war für Zacharias eine heilsame Zeit, in der sein Glaube und sein Vertrauen zu Gott reifen und fruchtbar werden konnte. Die äußere Stummheit hat seinen Glauben neu erstarken lassen. Das Strafzeichen nimmt ein Ende, als sich die Verheißung der Geburt des Sohnes erfüllt. Es wundert nicht, dass die ersten Worte, die der geöffnete Mund und die gelöste Zunge des Zacharias ein Lobpreis sind auf den Herrn, den Gott Israels.

„Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels
der sein Volk besucht und befreit hat.
Und machtvoll das Heil uns aufgerichtet….
Du aber, Kind, sollst der Prophet des Höchsten heißen.“

Sr. Alexandra Gambietz