Neujahrsempfang in Zell: Sr. Katharina spricht über Transformationsprozess

Sr. Katharina berichtet beim Neujahrsempfang der Gemeinde Zell über den Transformationsprozess des Klosters. Fotos: Sabine Pichler

Die Ankündigung, dass Sr. Katharina Ganz beim Neujahrsempfang der Gemeinde Zell über den Transformationsprozess des Klosters Oberzell sprechen wird, sorgte schon im Vorfeld für großes Interesse. Mit ihrem Vortrag zog die Gastrednerin die Zuhörer in ihren Bann.

Zunächst schilderte sie anhand der umfangreichen und beeindruckenden Geschichte des Klosters, wie sehr sich dieser Ort in den vergangenen fast 900 Jahren immer wieder verändert und gewandelt hat. Im Grunde genommen sei das ein Grundgesetz des Lebens, so Sr. Katharina. „Nichts bleibt wie es ist, ob wir nun in die Natur schauen oder auf das eigene Leben. Beständig ist nur der Wandel. Nach dem Winter kommt wieder ein Frühling, ein Sommer, der Herbst und wieder ein Winter. Auf jede Nacht folgt die Dämmerung und ein neuer Tag, mal verregnet, mal trocken, mal kalt, mal windig. Und im eigenen Leben wissen wir, dass aus jedem Kind ein Jugendlicher wird, aus jeder Heranwachsenden eine junge Frau und wir unweigerlich älter werden und eines Tages sterben müssen.“

„Wozu also noch von Transformation sprechen?“, fragte sie in die Runde und lieferte die Antwort direkt mit. Denn bei Organisationen oder Unternehmen komme ein weiterer Faktor dazu: „Es geht um aktive Veränderungsprozesse, die gesteuert und begleitet werden. Es geht um Maßnahmen, die den aktuellen Zustand in die Zukunft führen, vom IST-Zustand zum SOLL-Zustand.“

Klöster und religiöse Gemeinschaften sind solche Institutionen und Organisationen. Sie sind einem permanenten Wandel unterworfen und müssen sich immer wieder neu erfinden oder an die Entwicklungen anpassen.

Im Folgenden können Sie den Vortrag von Sr. Katharina Ganz im Wortlaut nachlesen:

Wandlungsprozesse in der Geschichte von Kloster Oberzell

Das Kloster Oberzell hat eine lange Tradition. Gegründet 1128 durch Norbert von Xanten schaut es bald auf eine 900-jährige Geschichte zurück. Zwei Jahre vorher, 1126, soll Norbert der Legende nach in Würzburg bei der Feier der Osternacht eine blinde Frau geheilt haben. Die Brüder Johannes und Heinrich aus Würzburg tauschten ihren Besitz mit dem damaligen Bischof Embricho und erhielten 1128 das Klostergrundstück auf dem Gelände der Pfarrei von Zell. In Zell war damit die älteste Niederlassung des Prämonstratenserordens in Süddeutschland beheimatet.

Ursprünglich Doppelkloster trennten sich etwa 100 Jahre nach der Gründung die Nonnen von den Männern und zogen etwas weiter mainabwärts. Seither hießen die beiden klösterlichen Orte Ober- und Unterzell.

Geplündert wurde das Kloster im 16. Jahrhundert durch aufständische Bauern und erneut im Dreißigjährigen Krieg durch die protestantischen Schweden. Zweimal zählte die Abtei nur noch zehn bzw. sechs Mitglieder.

Im 17. und 18. Jahrhundert brachte das Kloster Oberzell eine Reihe Gelehrter hervor, die vor allem auf mathematisch-naturwissenschaftlichem Gebiet einen guten Ruf hatten. Aber auch Oberzeller Kanzelredner und Theologen waren über die Klostermauern hinaus bekannt und beliebt. Unter Abt Oswald Loschert erreichte Oberzell den Höhepunkt seines Glanzes. Das zeigte sich auch in der Bautätigkeit. Der Konventbau geht auf Pläne Balthasar Neumanns zurück und entstand zwischen 1740 und 1760. 1798, kurz vor der Säkularisation, lebten 57 Patres und zwei Laienbrüder in der Abtei Oberzell.

Hart getroffen von der Säkularisation

Nach der Schlacht um Würzburg (1796) wurde im Kloster Oberzell ein Lazarett für die österreichischen Truppen eingerichtet, 1801 folgten französische Soldaten. Am 4. Dezember 1802 wurde die Abtei säkularisiert, das Kloster fiel an Max Joseph Kurfürst von Bayern. Am 1. Oktober 1803 mussten der damalige Abt Christoph Kroh und sein Konvent das Gelände verlassen.

Der gesamte Besitz wurde enteignet, Viehbestand und Hausrat, Kirchenschatz und Musikinstrumente sowie die wissenschaftlichen Sammlungen versteigert. Die Abtei Oberzell fiel in den Besitz des Staates. Auch das Frauenkloster Unterzell wurde aufgelöst und verkauft. Das reiche Ordensleben in Bayern fand mit der Säkularisation ein fast vollständiges Ende.

Der damalige Großherzog überließ das Hauptgebäude der ehemaligen Abtei bald dem Würzburger Juliusspital. 1806/1807 kaufte die Würzburger Bankiersfamilie Hirsch die Ökonomie und ließ 1812/1813 das sogenannte Schlösschen bauen. In der gleichen Zeit wurde im Kloster, das inzwischen erneut leer stand, ein Lazarett eingerichtet. 1850 verkaufte auch die Familie Hirsch ihren Besitz auf dem Oberzeller Gelände an das Juliusspital.

Verkauft an die Industrie

Das Vorhaben des Staates, Grundstück und Gebäude der ehemaligen Abtei möglichst gewinnbringend zu verkaufen, war schwieriger als gedacht. Es folgten einige Besitzerwechsel. Erst 1817 erkannten Friedrich Koenig und sein Freund und Mitarbeiter Andreas Bauer ihre Chance, auf diesem Gelände ihr Unternehmen zu gründen. Sie kauften das komplette Areal samt der Gebäude und starteten hier mit ihrer Druckmaschinenfabrik Koenig & Bauer. 1901 zog das Unternehmen in neu errichtete Fabrikgebäude auf der andere Mainseite um.

Wiederbelebt von Antonia Werr

Die Würzburgerin Antonia Werr (1813-1868) war sich nach einer langen Suche inzwischen ihrer Aufgabe sicher und mietete das leerstehende Schlösschen. An Pfingsten 1855 eröffnete sie hier mit vier Helferinnen ihre „Rettungsanstalt für strafentlassene und verwahrloste Personen des weiblichen Geschlechts“.

Bald war die Gemeinschaft in Oberzell so stark angewachsen, dass Antonia Werr ein neues Anwesen brauchte. 1855 erwarb sie das ehemalige Wirtshaus „Zu den zwei guten Greifen“ oberhalb des Klosters am Fuß der Hettstadter Steige. Aus dem Tanzsaal wurde eine Hauskapelle, das Gasthaus diente künftig als Erziehungsheim und Mutterhaus.

Aufgewertet und als Lazarett genutzt

Nachdem die Firma Koenig & Bauer 1901 in ihre neuen Fabrikgebäude auf die andere Mainseite umgezogen war, stand das stattliche Klostergebäude erneut leer. Die damals verantwortlichen Schwestern unserer Kongregation nutzten diese Chance: Mit dem Kauf der Klosteranlage begannen sie zwischen 1901 und 1905 eine umfangreiche Restaurierung mit dem Ziel, das Kloster wieder in seiner barocken Form glänzen zu lassen. Bereits im Oktober 1902 wurde das Haupthaus unter dem Namen „St. Norbertusheim“ gesegnet. Ein paar Wochen später verlegten die Schwestern ihre Haushaltungsschule in das neue Heim und am folgenden Tag feierten sie im Kloster Oberzell nach 100 Jahren erstmals wieder eine heilige Messe.

Ab Sommer 1903 widmeten sich die Schwestern der Kirche, die unter der industriellen Nutzung stark gelitten hatte. Am 28. März 1905 läuteten erstmals wieder die Glocken, ein knappes halbes Jahr später folgte die feierliche Einweihung der restaurierten Kirche.

Mehr Platz im neuen Mutterhaus

Bis 1923 blieb das ehemalige Gasthaus am Ende der Frankfurter Straße das Mutterhaus der Gemeinschaft. Weil die Kongregation mehr Platz brauchte, verlegte man das Mutterhaus dann am 1. November 1923 in das St. Norbertusheim. Dieses Jubiläum wurde nun gefeiert. Die Zahlen aus dem Beitrag der hiesigen Tageszeitung müssten also lauten: 100 Jahre Mutterhaus (bei fast 900 Jahren Kloster Oberzell).

Aufbruch nach Amerika

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist die Gemeinschaft stark angewachsen. So brachen die ersten Schwestern 1929 vom Mutterhaus aus nach New York auf, um dort in den Häusern der Würzburger Franziskaner-Minoriten zu wirken.

1936 erhob Papst Pius XI. die „Dienerinnen der hl. Kindheit Jesu“ – wie wir Oberzeller Franziskanerinnen offiziell heißen – zu einer Kongregation päpstlichen Rechtes. Vorher war die Gemeinschaft dem Würzburger Bischof unterstellt.

1952 wurden die ersten Oberzeller Missionarinnen nach Südafrika ausgesandt.

In den 1960er Jahren wurde die Höchstzahl an Mitgliedern erreicht: rund 1200 Schwestern lebten dann in 115 Filialen in sieben bayerischen Bistümern sowie in mehreren Diözesen in den USA und in Südafrika.

Mit dem Zweiten Weltkrieg suchten ab Herbst 1940 viele Menschen Schutz im Kloster Oberzell. Erneut wurden die Gebäude als Lazarett genutzt. „Wir wollen im Geist Christi unsere Pflicht an den Ankommenden tun und den Mut trotz der neuen Sorgen nicht verlieren“, heißt es in der Klosterchronik.

Nach der Zerstörung Würzburgs im März 1945 wurde Oberzell für einige Jahre Mittelpunkt der Diözese. Bischof Matthias Ehrenfried und sein Nachfolger Julius Döpfner wurden hier mit Domkapitel und Ordinariat von April 1945 bis Januar 1950 aufgenommen.

Eigene Mittelschule und Montessori-Einrichtungen

1956 startete der Bau einer dreistufigen Mittelschule auf dem Klostergelände. Drei Jahre später wurde aus der Mittelschule eine vierstufige Realschule, und nur wenige Jahre später wurde daraus eine Berufsfachschule für Hauswirtschaft.

Seit Juli 1995 ist das Gebäude nun an den Montessori Trägerverein Würzburg e.V. vermietet mit Kinderhort, privater Grund- und Mittelschule inklusive M-Zweig und Fachoberschule.

Aus Stall und Kelterei wird ein Bildungshaus

Von 1974 bis 1981 wurden die ehemaligen Ökonomiegebäude des Klosters in ein Exerzitien- und Bildungshaus umgebaut: Die Schwestern legten großen Wert darauf, die Silhouette zu erhalten und alle denkmalpflegerischen Belange zu berücksichtigen. Haus Klara ist seither ein Ort der Begegnung und stiller Besinnung. 2011/12 wurde die Einrichtung generalsaniert.

Große Generalsanierung 2002 bis 2008

Bereits von 2002 bis 2008 wurden Kirche, Konventbau und Außenanlagen grundlegend saniert. Die gesamte Infrastruktur des Gebäudes wurde auf den aktuellen Stand gebracht. So hoffen wir, dass bei künftigen Anpassungen keine allzu großen Bauarbeiten erforderlich sind.

Entwicklungen in Kirche und Ordensleben

Kirchenkrise und Rückgang der Ordensberufungen

Seit dem II. Vatikanischen Konzil ist die Kirche verstärkt herausgefordert, die Verheutigung zu leben, d. h. das Evangelium unter den aktuellen Gegebenheiten neu zur Wirkung kommen zu lassen, um auch im Hier und Heute Gottes neue Welt mitzugestalten. Alle in ihr haben den Auftrag, die „Zeichen der Zeit“ wahrzunehmen und zu deuten. Ein Vorwurf der Traditionalisten lautet, dass sich Kirche in Deutschland nur dem „Zeitgeist“ anpasst. Dabei wird der „Zeitgeist“ ausschließlich negativ gesehen. Es gilt jedoch ebenso die positiven Entwicklungen wahrzunehmen und in einem Dialog mit den Menschen der Postmoderne das Christentum anschlussfähig zu gestalten und als sinnstiftend anzubieten.

Inkonsequent

Frag 100 Katholiken, was das Wichtigste ist in der Kirche.
Sie werden antworten: die Messe.
Frag 100 Katholiken, was das Wichtigste ist in der Messe.
Sie werden antworten: die Wandlung.
Sag 100 Katholiken, dass das Wichtigste in der Kirche die Wandlung ist.
Sie werden empört sein: „Nein, alles soll so bleiben, wie es ist!“
(Lothar Zenetti)

Bewahren und erneuern, Erhalten und Verändern, Bleiben und aufbrechen sind keine Gegensätze, sondern komplementär, aufeinander bezogen, sie bedingen und bereichern sich gegenseitig.

Orden sind kein Selbstzweck, sondern mit dem Auftrag unterwegs, mit ihrem je jeweiligen Charisma Reich Gottes zu gestalten. Um lebendig zu bleiben, braucht jede Gemeinschaft zumindest einige „seekers“, also Suchende und Aufbrechende Mitglieder, die mit Abenteuerlust und Experimentierfreude neue Projekte beginnen. Zahlenmäßig und von der demografischen Entwicklung her gibt es aber immer mehr „dwellers“, also Sesshafte, die am Bewährten festhalten wollen oder vom Alter oder aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen her nicht mehr in der Lage sind aufzubrechen und Neues auszuprobieren.

Sofern es diese in der Gemeinschaft selber nicht mehr gibt, stellt sich die Frage, ob es von außen Möglichkeiten gibt, z.B. durch Laien für diesen Aspekt offen zu sein. Die Herausforderungen, Lebens-Räume zu teilen, einander auf Augenhöhe zu begegnen und als Suchende an der Seite der Menschen zu sein, bleiben auch für alternde Gemeinschaften.

Für wen sind wir da?

Die verschiedenen Kirchenentwicklungsprozesse der Bistümer bringen es in der Frage auf den Punkt: „Für wen sind wir da?“ Für wen sind wir als Bistum, als Pfarrei, als Kirche vor Ort da? Genauso gilt die Frage für uns als Orden: „Für wen sind wir da?“ Für wen sind wir da als Kloster, als Konvent, als einzelne Schwestern? Was ist unsere Mission? Nicht ganz zu Unrecht besteht der Vorwurf an Kirche und zugleich an uns als Orden, allzu selbstbezogen nur um uns selbst zu kreisen; uns in Strukturdebatten und Umstrukturierungsprozessen zu verlieren. Ich sage aber oft auch selbstkritisch: Wenn wir nicht mehr für die Menschen da sind und die Leute keinen Mehrwert mehr haben durch unsere Existenz, dann muss es uns auch nicht mehr geben. Dann hat sich unsere Mission möglicherweise auch erfüllt.

Ordensgemeinschaften haben jahrhundertelang die Gesellschaft getragen und geprägt, waren Stätten von Bildung, Kultur, Wissenschaft und Forschung. Die im 19. Jahrhundert massenweise entstandenen neuen Frauenkongregationen haben in der Krankenpflege, Erziehung, Mädchenbildung oder Sozialarbeit Unendliches geleistet. Diese Zeiten sind vorbei. Heute muss keine Frau mehr ins Kloster gehen, um einen Beruf zu lernen. Sie muss auch nicht mehr eintreten, um unabhängig von Vätern oder Ehemännern leben zu können.

Die gesellschaftliche Emanzipation und Gleichberechtigung der Frauen hat dazu beigetragen, dass es nicht mehr so attraktiv ist, ins Kloster zu gehen. Statt gesellschaftliches Ansehen erntet man heute eher Unverständnis oder gar Anfeindung für einen solchen Schritt.

Wie die Kirchen als ganze werden auch die Ordensgemeinschaften kleiner, überalterter und bedeutungsloser. Wir sind nicht mehr so prägend wie früher, allein schon deshalb, da wir an immer weniger Orten präsent sind und eine Institution nach der nächsten aufgeben müssen. Und als Orden haben wir auch teil am Relevanzverlust der Kirche generell. Die Reformunfähigkeit insbesondere der katholischen Kirche macht auch den Gemeinschaften zu schaffen. So sind aus unserer Kongregation in den letzten Jahren zwei Schwestern ausgetreten, weil sie nicht mehr Mitglied der katholischen Kirche sein können oder wollen.

Insgesamt ist die Zahl der in Deutschland lebenden Ordensfrauen ist bis Ende 2022 in den letzten zwanzig Jahren von 28.973 auf 10.953 Schwestern zurück gegangen. Das entspricht einer Reduktion von fast 60 %. Vermutlich beträgt die Zahl inzwischen weniger als 10.000. Von diesen sind 7.777 Schwestern bereits über 76 Jahre alt, bei den tätigen Orden insgesamt rund 85 % über 65 Jahren und nur 5 % unter 50 Jahren.

In unserer Gemeinschaft sieht es nicht anders aus: Wir haben in Deutschland ein Durchschnittsalter von 83 Jahren erreicht. Nur neun Schwestern sind jünger als 70 Jahre. Unser ältestes Mitglied ist 101, das jüngste 40 Jahre alt.

Insgesamt zählt die Gemeinschaft 102 Schwestern. Davon leben 80 in Deutschland, 17 in Südafrika und 5 in den USA. Im Kloster Oberzell leben insgesamt 67 Schwestern. Im Mutterhaus, dem barocken Konventbau leben derzeit 18 Schwestern. Es befinden sich aber weitere Konvente auf dem Klostergelände. Zwei Niederlassungen befinden sich in Würzburg und eine weitere in St. Ludwig bei Wipfeld.

Dazu kommen rund 300 Mitarbeitende in unseren Einrichtungen für Frauen in Not in Würzburg, im Pflegeheim sowie im Bildungshaus Klara. Die größte Jugendhilfeeinrichtung, das Antonia-Werr-Zentrum in St. Ludwig wird seit 2010 als GmbH geführt und beschäftigt alleine über 150 Menschen.

Mutig in die Zukunft

Wie andere Orden und Kongregationen wird auch unsere Gemeinschaft immer kleiner. 2019 fassten wir deshalb den Entschluss, gezielt einen Transformationsprozess in Gang zu setzen. Ziel ist, die Zukunftsfähigkeit der Gemeinschaft und die Altersvorsorge zu sichern, die Einrichtungen zu erhalten und neue Freiräume für den Sendungsauftrag zu schaffen.

Dazu ist entschiedenes Vorgehen und Handeln sowie Mut zum Loslassen notwendig. Trotz aller Herausforderungen blicken die Oberzeller Schwestern wir mutig und zuversichtlich in die Zukunft.

Im vergangenen Jahr haben wir die Immobilienverwaltung in einen unselbstständigen Eigenbetrieb übertragen und einen neuen Leiter eingestellt. Das entlastet uns Schwestern und trägt dazu bei, anfallenden Leerstand in einzelnen Gebäuden rascher zu vermieten oder für eine neue Nutzung zu ertüchtigen.

Foto: Sabine Pichler

Kloster Oberzell soll als Gesamtareal erhalten bleiben. Wir wollen also keine einzelnen Gebäude oder sogar das gesamte Kloster verkaufen, sondern weiterentwickeln.

Im Mutterhaus sind bereits seit der Generalsanierung vor 15 Jahren einzelne Appartements an externe Bewohner vermietet. Es sind Gästezimmer entstanden. Derzeit werden weitere Räume etagenweise einer neuen Nutzung im Sinne des klosternahen Wohnens zugeführt (z. B. für studentisches Wohnen).

Seit Frühjahr 2022 wohnen 30 geflüchtete Frauen aus der Ukraine mit drei Kindern im Franziskushaus. Und im Rahmen des Projektes Wohnen für Hilfe wohnen Studentinnen dort unter dem Dach.

Mit Hilfe einer Organisationsentwicklung haben wir einen Transformationsprozess angestoßen. Derzeit haben sich sieben Projektgruppen gebildet. Da arbeiten Schwestern mit Mitarbeitenden, Mitgliedern unseres Freundeskreises und Experten von außen zusammen. Ziele sind: ein gutes Leben für die Schwestern, den Sendungsauftrag weiterzuführen, neue Nutzer zu gewinnen und bestmöglichst mit allen Interessensgruppen zu kommunizieren.

Hauptanliegen ist uns, das Kloster Oberzell als geistlichen Ort zu erhalten und vorrangig als Ort, an dem Menschen gerne leben und arbeiten. Schon jetzt wird das gesamte über 5 Hektar große Areal täglich von 600 Menschen verlebendigt. Vier Generationen leben und arbeiten hier, gehen zur Schule oder werden bis zu ihrem natürlichen Tod gepflegt. Unter dem Stichwort „Quartier Kloster Oberzell“ soll dieses Areal behutsam an der Schnittstelle von Stadt und Landkreis Würzburg weiterentwickelt werden.

Viele, die uns hier besuchen, sind fasziniert von dem, was sie als Kleinod hier vorfinden. Sobald man durch das romanische Tor hinter die Mauern gelangt, beginnt eine andere Welt. Das malerische Areal strahlt etwas Bergendes und Schützendes aus.

In den kommenden Monaten wird ein Gesamtkonzept entwickelt, welche Bereiche kurz- oder mittelfristig einer neuen Nutzung zugeführt werden. Denn es gilt ja auch Menschen zu finden, die diesen Ort schätzen und mit erhalten wollen.

Öffentlich zugänglich sind tagsüber die Klosterkirche und die Ausstellung über die Baugeschichte im oberen Stockwerk der Kirche, das Treppenhaus des Konventbaus sowie der Kräutergarten. Wir arbeiten daran, die Wege und Bereiche in Zukunft noch besser auszuschildern. Wir wollen einen Freundeskreis gründen und die bestehenden Netzwerke ausbauen. Wir möchten Schwestern, Mitarbeitende, Menschen, die in unseren Einrichtungen leben noch besser vernetzen und zusammenführen und weitergeben, was unser spezifisches Charisma ist. Wir wollen ausloten, wie der Kräutergarten noch stärker für Angebote genutzt werden kann.

Als Oberzeller Franziskanerinnen richten wir uns immer neu an unserer Gründerin Antonia Werr und den Vorbildern Franziskus und Klara von Assisi aus und setzen uns arm, geschwisterlich und solidarisch für ausgegrenzte Menschen und die Schöpfung ein.

„Eine Transformation repräsentiert einen fundamentalen und dauerhaften Wandel“, heißt es in einschlägigen Definitionen über Transformationsprozesse.

Der Weg in die Zukunft

Wir erleben im Kloster Oberzell eine spannende Gleichzeitigkeit. Einerseits nimmt die Zahl der Schwestern ab. Andererseits steigt die Zahl der Menschen, die eine Auszeit machen wollen im Kloster. Gruppen, die im Bildungshaus tagen, suchen gezielt das Gespräch mit Schwestern, bitten um eine Führung oder eine gestaltete Gebetszeit. Es steigen die Anfragen nach geistlicher Begleitung, Gespräch, Rückzug und Stille.

Für den Weg in die Zukunft gibt es keine Patentrezepte. Es gilt, in nüchterner Geistesgegenwart und mit Mut zur Wahrhaftigkeit eine realistische Sicht der Dinge zu entwickeln. Auf dieser Basis wagemutig, kreativ und innovativ zu handeln, um getragen von göttlicher Hoffnung unseren prophetischen Auftrag in dieser Zeit und Welt zu leben.

Der tschechische Theologe und Soziologe Tomáš Halík sieht das Christentum am Nachmittag angekommen. Es ist die Zeit der sanften Säkularisierung angekommen. Einen Vorgeschmack auf die leeren Kirchen haben wir während der Pandemie bekommen. Kirchen und Klöster werden an Relevanz verlieren. Das heißt aber nicht, dass sie komplett verschwinden werden.

Wir müssen so leben und handeln, dass es für uns Sinn macht. Ob dann nach dem Winter ein neuer Frühling kommt, überlassen wir Gott. Ich schließe mit einem Gedicht von Almut Haneberg:

Der Frühling setzt sich durch

Der Frühling
setzt sich durch
die Kraft der Sonne
wächst
und holt das Leben
an das Licht

das Wasser
tränkt die Erde
die Wärme
taut die Seele auf
das Licht zeigt
neue Perspektiven

empfindsam
und empfänglich
lockt das Leben
im Zueinander
Miteinander
Füreinander
von Ich und Du