Mit Humor in Führung

„Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen.“ Mt 11,25 f.

Der Satz aus Matthäus 11,25 f lässt mich an das Wochenende von 13. bis 15. Juli im Haus Klara denken, wo ich an einem Seminar für Frauen teilgenommen habe. „Mit Humor in Führung“ war der Kurs überschrieben. Beinahe wäre er nicht zustande gekommen, weil sich nur wenige Frauen angemeldet hatten. Also dachte ich mir: „Humor kann nie schaden“, und nahm kurzfristig an dem Angebot teil. Referentin war die evangelische Theologin, Pfarrerin und Clownin Dr. Gisela Matthiae. Neben biblischen Impulsen und Referaten leitete sie die Gruppe an, die eigenen humorvollen Seiten zu entwickeln und spielerisch zu ernste Situationen aufzuweichen. So hatten wir viel Spaß, und es wurde oft gelacht. 

Das Wort „Humor“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Flüssigkeit“. Im späten Mittelalter hat man die menschlichen Charaktere (Sanguiniker, Phlegmatiker, Choleriker und Melancholiker) von den verschiedenen Körpersäften hergeleitet. Je nachdem, wie dünn- oder dickflüssig Schleim und Blut im Körper sind, umso heiterer, gedrückter oder launischer müsse die Gemütsverfassung eines Menschen sein – so die Theorie.

Gisela Matthiae betrachtet den Humor als eine Haltung Gott, den Menschen und sich selbst gegenüber. Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch stellte in einem umfassenden Fragebogen 1966 folgende Fragen: „Haben Sie Humor, wenn Sie allein sind?“ – „Wenn Sie von einem Menschen sagen, er habe Humor: meinen Sie damit, dass er sie zum Lachen bringt oder dass es Ihnen gelingt, ihn zum Lachen zu bringen?“ – „Können Sie sich eine Beziehung ohne Humor vorstellen?“ – „Was ertragen Sie nur mit Humor?“ – „Wer scheut, Ihres Erachtens, am meisten den Humor?“ – „Kennen Sie Tiere mit Humor?“

Humor hat mit Schalk, Leichtsinn, Witz, Ironie, Neugierde zu tun. Er erfordert die Fähigkeit, zum Hier und Jetzt auf Distanz zu gehen, etwas aus einer anderen Perspektive zu betrachten, das Leben ernst zu nehmen, aber eben auch nicht zu ernst oder verbissen. Deshalb unterscheidet sich Humor von Spott, Satire, Zynismus und Sarkasmus, wo Witze meist auf Kosten anderer gemacht werden. Humor zeichnet sich dadurch aus, dass andere nicht erniedrigt werden, sondern man sich auf Augenhöhe begegnet. Humor begegnet dem Gegenüber mit Wertschätzung und Respekt und ist von einer tiefen Menschenliebe getragen. Humor und Lachen entstehen in komischen Situationen. Kinder sind die besten Lehrer/innen für Humor. Sie entdecken ständig etwas Lustiges, können sich kringelig lachen über tollpatschiges Verhalten bei Menschen und Tieren. Und sie lachen auch über sich selbst, wenn ihnen etwas Unvorhergesehenes passiert. Im Gegensatz zu uns Erwachsenen nehmen sie sich selbst und die Wirklichkeit nicht zu ernst, sondern können sie relativieren. Kinder lachen aus Spaß an der Freude. Und: Ihr Lachen steckt an.

Das klappt übrigens auch unter Erwachsenen. Es gibt Gruppen, die sich regelmäßig zum Lachyoga treffen. Einmal in der Woche wird miteinander in der Gruppe gelacht, denn Lachen ist gesund. Es fördert die Durchblutung, regt die Verdauung an, hilft Spannungen abzubauen, schafft Gemeinschaft und macht gute Laune. Eine Berliner Lachyoga-Gruppe startete im November 2011 ein Experiment: Sie mischten sich am Feierabend in öffentlichen Verkehrsmitteln unter wildfremde Menschen und fingen einfach zu lachen an. Die Reaktionen fielen erwartungsgemäß unterschiedlich aus. Die einen fühlten sich gestört und reagierten mit sauertöpfischen Mienen. Die Mehrheit der Fahrgäste konnte sich der Gute-Laune-Therapie nicht entziehen: Ihre Gesichter hellten sich auf, sie schauten einander an und fingen selbst zu kichern, zu lachen oder zu prusten an. Kaum war das Video auf der Internetplattform Youtube veröffentlicht, fand es viele Nachahmer.

So stellt sich mir nun die Frage: Welche Bedeutung sollte Humor für Christen haben? Der Schriftsteller Umberto Eco hat diese Frage zum Ausgangspunkt seines 1980 erschienen Romans „Der Name der Rose“ gemacht. Inhaltlich geht es in der Erzählung, die im 14. Jahrhundert spielt, um den Franziskanermönch, William von Baskerville, und seinen Schüler, Adson von Melk, die rätselhafte Morde in einem Benediktinerkloster in Norditalien aufklären müssen. Neben dem Lösen der Mordserie suchen die beiden Detektive nach einem Buch von Aristoteles, welches begründet, dass Jesus gelacht und seine Freude offen gezeigt hat. Am Ende stellt sich heraus, dass der erblindete Bruder Jorge von Burgos die Ecken des Buches mit einem Gift getränkt hat, um zu verhindern, dass die Brüder die aristotelische Lehre des lebensbejahenden, frohen Christus entdeckten. Alle Brüder, die in der Bibliothek des Klosters nach dem verbotenen Buch gesucht und darin gelesen hatten, starben, nachdem sie beim Umblättern der Seiten ihre Finger befeuchteten und damit das tödliche Gift zu sich nahmen.

Hat Gott Humor? Ich denke schon. Sonst wäre er nicht Mensch geworden. Im Jesuskind hat sich Gott selbst klein gemacht, ist ein spielerischer, froher Mensch geworden. Die Evangelien bezeugen einen lebensfrohen, schlagfertigen Jesus, der die Engstirnigkeit seiner ernsten Zeitgenossen überwand und durch humorvolle Interventionen neue Lebensmöglichkeiten für die Leidtragenden oder Unterdrückten seiner Zeit schuf. Und: Jesus hat die Kinder als Vorbild für alle hingestellt, die ihr Menschsein nach seinen Werten ausrichten wollen. Im Kind sind noch alle Entwicklungsmöglichkeiten offen angelegt. Das Kind überwindet mit kindlichem Ernst die Erwachsenen-Logik derer, die (bereits) alles zu wissen meinen und die Lage beherrschen möchten. 

Als Kinder Gottes sollten wir uns offen halten für Überraschungen, die sich in unscheinbaren Situationen des Alltags ereignen. Mitten im unübersichtlichen Weltgeschehen, wo uns oft das Lachen vergeht, scheint im Kleinen, Menschlichen, in den eigenen Schwächen oder im Tragikomischen des Miteinanders etwas von der Unbegreiflichkeit und dem Geheimnis Gottes auf, die sich bruchstückhaft ereignet und auf eine größere Wirklichkeit hinweist: man nennt sie das Reich Gottes.

Am Ende des Dokumentarfilmes von Wim Wemders über „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ empfiehlt der Papst allen, die den Film sehen und denen er scheinbar direkt in die Augen blickt: Vergesst das Lächeln nicht und den Sinn für Humor! 

In diesem Sinn wünsche ich allen einen gesegneten Restsommer,

Sr. Dr. Katharina Ganz
Generaloberin