Die Oberzeller Franziskanerinnen haben im Juliusspital tiefe Spuren hinterlassen – so lautet die Überschrift auf der Gedenktafel, die seit Freitag, 16. Juli, im Arkadengang des Juliusspitals zu sehen ist. Beim Stiftungsstag enthüllte Oberpflegamtsdirektor Walter Herberth zusammen mit Generaloberin Sr. Dr. Katharina Ganz das Andenken zu Ehren der Ordensfrauen, die hier seit 100 Jahren arbeiten.
Die Oberzeller Franziskanerinnen hätten nicht nur die Krankenpflege und das Erscheinungsbild der Stiftung in einem Zeitraum von 100 Jahren geprägt, sondern auch maßgeblich die Ausbildung der Pflegekräfte befördert. Die Gründungen der Krankenpflegeschule vor 100 Jahren und der Altenpflegeschule vor 58 Jahren seien zum Großteil der Verdienst der Schwestern, betonte Walter Herberth in seiner Ansprache vor den geladenen Gästen im Park des Juliusspitals. „Die Anwesenheit von Ordensschwestern auf einem weltlich geprägten Areal ist für mich immer wieder ein Hinweis darauf, dass es bei den Einrichtungen der Stiftung und des Klinikums bei allen zu beachtenden wirtschaftlichen Aspekten immer um das Wohl von Menschen geht.“ Gewissermaßen als Geschenk bezeichnete Herberth die „Verewigung“ der Oberzeller Schwestern durch eine Tafel im Arkadengang, „unserem Ruhmesflur“. Neben bedeutenden Medizinern findet sich hier nun auch ein Hinweis auf die Ordensfrauen.
Verbindungen reichen weit zurück
In ihrem Festvortrag schilderte Sr. Dr. Katharina Ganz, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, Ursprünge, Entwicklung und Bedeutung der Arbeit der Schwestern in den letzten 100 Jahren. Die Verbindungen zwischen der Kongregation und dem Spital reichen in die unmittelbaren Anfänge der Ordensgemeinschaft zurück. 1813 geboren und aufgewachsen in Würzburg kam Antonia Werr mit 40 Jahren auf die Idee, ein privates Rettungshaus zu gründen. Sie wollte aus dem Glauben heraus als Unterfränkin etwas für die fränkische Bevölkerung tun. Sie fand zwei Gleichgesinnte, die bis dahin im Spital gearbeitet hatten. 1854 mietete Antonia Werr ein Haus außerhalb der Stadt, das dem Juliusspital gehörte. Gründungszweck des privaten Institutes war die Resozialisierung strafentlassener Frauen, daneben die Krankenpflege.
Ab 1906 gab es mehrfach Versuche, Oberzeller Schwestern als Krankenpflegerinnen für das Juliusspital zu gewinnen. Chirurgieprofessor Enderle wollte nach und nach das weltliche Personal durch klösterliches ersetzen. Im OP wollte er nur mit Ordensschwestern arbeiten. Doch die Anfragen mussten von Oberzeller Seite zunächst abgelehnt werden, weil es sowohl an Schwestern als auch an qualifiziertem Personal fehlte. So wirkten die Erlöserschwestern ab 1907 im Juliusspital.
Laut Akten aus dem Klosterarchiv kam 1918 erstmals ein Vertrag zwischen Juliusspital und Oberzell zustande. Aber die Revolution und der Widerstand des weltlichen Personals gegen Ordensschwestern sollen die Umsetzung der Pläne vereitelt haben. Ein Regierungserlass brachte den Stein zwei Jahre später erneut ins Rollen. Demnach durften ab 1920 keine Schwestern mehr ohne staatliche Prüfung in der Krankenpflege arbeiten. Da bot sich die 1921 gegründete staatlich anerkannte Krankenpflegeschule im Juliusspital an. Man schickte zunächst zwei Schwestern zur Ausbildung hin und fragte beim Oberpflegamt nach, ob noch Interesse bestünde. So lösten Oberzeller Ordensfrauen die Erlöserschwestern zunächst in der Küche, in der Wäscheausgabe und im Nähzimmer ab.
“Bei den Luftangriffen haben die Schwestern Patienten aus den Trümmern geschleppt.”
Sr. Dr. Katharina Ganz
Mit 22 Schwestern und elf Postulantinnen wurde der Oberzeller Konvent Juliusspital am 1. Juli 1921 eröffnet. Mit dem Umzug der Erlöserschwestern in das neu erbaute Luitpoldkrankenhaus übernahmen die Frauen aus Oberzell weitere Tätigkeiten. „Physisch und psychisch war der Einsatz äußerst anstrengend“, betonte Sr. Dr. Katharina Ganz in ihrem Vortrag. Die größten Herausforderungen meisterten die Schwestern am Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Juliusspital wurde schon im Februar 1945 bei Bombardierungen schwer getroffen. Die damals 29-jährige Sr. Dietfrieda Poser wurde bei den Angriffen verschüttet und konnte nur noch tot geborgen werden. „Bei den Luftangriffen haben die Schwestern Patienten aus den Trümmern geschleppt. Verwundete Soldaten warfen sie sich wie zentnerschwere Säcke über die Schulter und zerrten sie ins Freie“, so die Festrednerin. Auch beim Wiederaufbau legten die Ordensfrauen Hand an.
Mehr als die Hälfte dieser gesamten Geschichte hat Sr. Marita Gäbelein erlebt. Seit 51 Jahren lebt sie im Konvent Juliusspital, arbeitete 42 Jahre lang als Krankenschwester und war 34 Jahre Stationsleiterin. Mit ihr im Konvent wohnt noch Sr. Perpetua Mehling, die nach ihrer Ausbildung in den 1960er Jahren vor 30 Jahren wieder ans Juliusspital zurückkehrte. Am längsten wirkte Sr. Gundolfa Büttner im Spital (1904 bis 1983). Mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland wurde 1993 Sr. Ehrenfrieda Wich (1922 bis 2009) ausgezeichnet. Sie wirkte als Lehrschwester an der Krankenpflegeschule und ab 1963 an der neu gegründeten stiftungseigenen Berufsfachschule für Altenpflege. Rund 900 Fachkräfte hat sie in ihrer Zeit ausgebildet.
220 Oberzeller Schwestern in 100 Jahren
Insgesamt rund 220 Oberzeller Schwestern waren in den einhundert Jahren im Juliusspital tätig. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 waren hier 145 Schwestern aktiv. Danach reduzierte sich die Anzahl stetig. Ab 1952 gab es wieder weltliches Krankenhauspersonal.
Heute zähle die Ordensgemeinschaft insgesamt weniger Mitglieder als während des Krieges allein in der Filiale in der Stadt eingesetzt waren, so Sr. Dr. Katharina Ganz. „Und die meisten unserer Schwestern, die heute ins Juliusspital kommen, werden als Patientinnen auf den Stationen behandelt, ambulant palliativ versorgt oder sterben nach einer schwierigen Operation.“ Vieles, was das Ordensleben früher ausmachte, sterbe. „Die äußeren Formen wandeln sich, der Kern bleibt.“ Noch immer engagieren sich die Oberzeller für Frauen in prekären Lebenssituationen – zusammen mit über 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die das Anliegen und die Werte von Antonia Werr teilen. „Wir setzen uns ein für menschenwürdige Bedingungen.“
So eine Leib- und Seelsorge sei riskant. Denn sie sehe den Grenzsituationen des menschlichen Lebens ins Auge. „Hier im Juliusspital erleben Sie täglich solche Situationen auch heute. Momente, die alles von einem abfordern, was wir als Menschen zu bieten haben angesichts von Bösem und Leid, Ohnmacht und Kreuz, Krankheit und Tod.“ Mit diesen Worten dankte die Generaloberin für die hundertjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit der Stiftung mit der Ordensgemeinschaft. „Sicher bin ich keine Prophetin, wenn ich Ihnen sage, dass wir vermutlich die längste Zeit hier tätig waren. Wir sind aber zuversichtlich, dass die segensreiche Arbeit im Klinikum Würzburg Mitte weitergeht.“
Der Stiftungstag hatte mit einem festlichen Gottesdienst, zelebriert von Pfarrer Bernhard Stühler, begonnen. Oberpflegeamtsleiter Walter Herberth nutzte den festlichen Rahmen, um einige langjährige Mitarbeiter zu ehren oder in den Ruhestand zu verabschieden. Für die musikalische Begleitung des Stiftungstages sorgte das Bläserensemble Echter-Brass aus Würzburg unter der Leitung von Diözesanmusikdirektor Gregor Frede.
Hintergrund: Die Bedeutung eines krummen Kreuzes
In ihrer Festansprache beim Stiftungstag im Juliusspital erzählte Sr. Dr. Katharina Ganz, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, warum ein krummes Kreuz für sie ganz starke Symbolkraft hat. Im Sommer 1991 habe sie bei ihren ersten Exerzitien die damals 78-jährige Sr. Tarsitia Hildner kennengelernt.
Sr. Tarsitia besaß ein kleines, verbogenes Kreuz aus dunklem Holz, in versilbertes Messing gefasst. Die Geschichte dazu erzählte sie Sr. Katharina einige Jahre später: Sr. Tarsitia arbeitete ab 1935 als Röntgenassistentin. Wenige Tage nach der Bombardierung Würzburgs hatte sie sich im Juliusspital auf einen Balkon gestellt und in Richtung der zerstörten Kirche St. Gertraud geschaut. Dabei lehnte sie sich aus Versehen an ein Geländer. Der Stahl war immer noch so heiß, dass sich ihr Brustkreuz unter dem Habit verbog.
Dieses kleine krumme Kreuz hat für Sr. Katharina große Symbolkraft: „Es steht für meine Meinung, dass der christliche Glaube dann überzeugt, wenn Menschen bereit sind, sich dafür zu bücken und den Rücken krumm zu machen. Heute sehe ich darin auch ein Symbol für den aufopferungsvollen Dienst unserer Schwestern im Juliusspital und im Missionsärztlichen Institut.“ Vor einhundert Jahren hätten die Schwestern begonnen, sich in der stationären Krankenpflege im Juliusspital „den Rücken krumm zu machen“. „Sie haben schwer geschuftet bis zur Selbstaufgabe, sich gebeugt über Kranke und Sterbende. Ich staune oft darüber, wie es ihnen gelungen ist, sich dabei nicht zu verbiegen, sondern gerade und aufrechte Menschen zu bleiben. Leidgeprüft und doch hoffnungsfroh. Furchtlos und voller Ehrfurcht.“
Einige Eindrücke vom Stiftungstag am 16. Juli 2021 im Park des Juliusspitals:
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