Gehorsam – Befreit zum Hören und Miteinander Handeln

Noviziatsschulung Würzburger Kreis – Vom 7.-9.11.17 nahm ich gemeinsam mit 18 weiteren katholischen und evangelischen Brüdern und Schwestern an der Noviziatsschulung des Würzburger Kreises teil. Das Thema dieser Tage war der dritte Gelübde-Teil – der Gehorsam, wieder mit Sr. Anneliese Herzig (Missionsschwestern vom Heiligsten Erlöser).

Zu Beginn lud sie uns ein, uns einen konkreten Menschen vorzustellen, der Gehorsam in einem für mich positiven Sinn lebt. Gehorsam, der zu einem Leben in Fülle verhilft. Vielleicht ist das ja auch eine Idee, sich im Konvent einmal dazu auszutauschen – welche Person kommt mir in den Sinn? Welche Eigenschaften verbinde ich mit dieser Person? Welche Impulse bekomme ich dadurch für meinen Weg?

Sr. Anneliese lud dann zum Austausch über fünf Dimensionen des Gehorsams (es gibt sicher mehr) ein.

1. Sachgehorsam: das heißt ein Gehorsam den Dingen und Sachen gegenüber, unsachgemäßes Handeln kann zu Unbrauchbarkeit führen; der Situation angemessen handeln (z.B. im Straßenverkehr); Sachverstand → damit Leben gelingen kann braucht es den Sach-Gehorsam.

Lebensgehorsam: mich den Herausforderungen des Le-bens stellen; Gegebenes annehmen (nur manches kann ich verändern, anderes auch nicht!); Fähigkeiten entdecken und entfalten und gleichzeitig Grenzen anneh-men; meiner persönlichen Lebensphase gemäß leben „Tun was der Tag verlangt!“

2. Bauch, Herz und Kopf
– alle drei Ebenen sind wichtig, bergen Schwächen und Stärken

3. hören und antworten
sich überzeugen lassen, sich einordnen

4. Gehorsam Jesu (Philipper 2), Gehorsam in Kirche, Ordensgehorsam

5. Weihe (auf Gott hören), Gemeinschaft (aufeinander hören), Sendung (auf die Welt hören)

Ein Gedanke dieser Tage war auch das Wort Haltung. Gehorsam ist eine Haltung des Hören wollens, aus dieser Haltung heraus verhalte ich mich dann. In all dem brauche ich einen Halt, wer oder was hält mich, meine Gottesbeziehung, Vertrauen… Dazu kommen die Verhältnisse, die wir ja auch selbst mitgestalten, z.B. unserer Gesprächskultur, wie begegnen wir einander, Zeiten der Stille. Sowohl mein Halt, den ich erfahre (oder auch nicht), als auch die Verhältnisse haben Einfluss auf meine Haltung und mein Verhalten.

Aus Werten entwickeln sich Regeln oder Normen, welche auch immer wieder rückgebunden sein sollten an die Werte. Welche Werte sind also beim Gehorsam „mit im Spiel“?

Sr. Anneliese zählte uns vier Werte auf:

  • menschliche Werte: „nicht im eigenen Saft bleiben“, sondern wachsen und sich entwickeln; reife Persönlichkeit, Gehorsam führt weiter auf dem Weg persönlicher Befreiung
  • christologischer Wert: Jesu Authentizität und seine Übereinstimmung mit dem Willen des Vaters, gelebt aus Liebe
  • missionarischer Wert: Teilnahme an der Sendung Christi, wozu bin ich/sind wir gerufen? Sich einlassen auf drängende, neue Situationen
  • gemeinschaftlicher Wert: Ordensgehorsam verwirklicht sich im Raum der Gemein-schaft, miteinander als Gemeinschaft die Sendung in der Welt erfüllen

In einem weiteren Schritt machten wir uns Gedanken darüber, was die Ziele des Gehorsams in der Ordensausbildung – im Leben in Gemeinschaft sind.

Ziel ist nicht ein „blinder“ Gehorsam, sondern ein aktiver und verantwortungsvoller Gehorsam, von erwachsenen, reifen und mitverantwortlichen Persönlichkeiten gelebt. Ordensgehorsam zu leben, ist eine freie Entscheidung, nicht erlitten oder auferlegt. Ein freier Gehorsam erwächst aus der Sehnsucht, sich Gott und Seinen Plänen als Hörende zur Verfügung zu stellen. Ein befreiender Gehorsam lädt uns sein, einzutreten in die „Freiheit der Kinder Gottes“, zu wachsen und zu werden.

Als tiefste Wurzel des Ordensgehorsam beschreibt Sr. Anneliese die Sehnsucht, „Christus anzuziehen“, Christus ähnlich zu werden. Als letzten Punkt nennt sie die dynamische Treue zur Sendung, also nicht ein Gehorsam um seiner selbst willen, sondern im Blick auf die Sendung unserer Gemeinschaften.

Immer wieder gab es dazwischen einen Austausch in Kleingruppen, wie es uns mit dem Gehörten geht, was unsere persönlichen Erfahrungen sind, oder auch Ängste, Zweifel, Fragen dazu.

Was brauchen wir, um einen solchen befreienden, liebevollen, aktiven Gehorsam zu leben, was kann uns helfen? Wichtig ist das „Hören und Kommunizieren“ – auf das Wort Gottes (Meditation, Stille, Eucharistie…) und auch Aufeinander (Kommunikationsfähigkeit fördern). Es ist wichtig „Zu Unterscheiden und zu reflektieren lernen“, also meine Autoritäts- und Gehorsams-Geschichte in den Blick nehmen, ebenso wie gesellschaftliche Einflüsse. Was motiviert mich zum Gehorsam? In der Auseinandersetzung mit dieser Frage kann ich auch falsche Motivationen „entlarven“, wie eine Flucht vor Entscheidungen, Passivität oder Angst vor Fehlern. Wir sind eingeladen, Verantwortung zu tragen für das „gemeinsame Haus“ (Papst Franziskus)- im Gehorsam universal, global und solidarisch denken und fühlen lernen. Dazu müssen wir auch um die aktuellen Nöte der Welt wissen, uns für unsere Sendung immer neu im Heute sensibilisieren lassen. Zusammenfassend fand ich einen sehr schönen Gedanken, dass Gehorsam „die Kultivierung einer Liebensverbindung mit Gott ist“. Mit-Liebende werden, im Hören „nach innen“ und „nach außen“, auf mich selbst, auf Gott und auf Andere.

Sr. Anneliese stellte am Ende dieser Tage, die den Abschluss der Schulung über die Gelübde bildete, auch noch den Bezug her zur Armut und zur ehelosen Keuschheit. Gelübde sind ein „Akt des Vertrauens“, ein Versprechen auf dem Weg zu bleiben, zu wachsen und zu werden, „Stabilitas für die Straße – zum Mitnehmen“.

Es waren intensive Tage – im Hören, uns Austauschen und Teilen. Ich möchte mit einem Zitat von Mary Linscott enden: „Der wichtige Punkt ist nicht, dass jemand sein ganzes Leben damit verbringt, etwas zu tun, sondern was jemand mit seinem ganzen Leben machte und wie er es macht. Der wichtige Punkt ist nicht, dass jemand nicht seinen Lebensstand wechselt, son-dern dass jemand sich der Veränderung unterwirft, un-aufhörlich, damit er fähig wird, in die Fülle des Lebens zu wachsen, die schemenhaft vorgezeichnet war bei seinem anfänglichen Versprechen. Das Schöne an den Gelübden ist, dass sie ein Leben aus-drücken, das ständig wächst, nicht einen unwandelbaren Stand.“

Sr. Juliana Seelmann