Frauengestalten – Frauen gestalten

Antonia-Werr-Kreis – Freundeskreis Antonia Werr auf den Spuren von Netzwerkerinnen aus Würzburg – Führung zu den Wohn- und Wirkungsstätten berühmter Frauen.

Unter kundiger Begleitung von Rudolf Held genoss der Freundeskreis Antonia Werr eine besondere Stadtführung, vorbei an Wohn- und Wirkungsstätten berühmter Frauen Würzburgs. Held kannte und nannte nicht nur Namen und Zahlen, vielmehr wusste er auch über die Biographien, Verdienste, Talente und Neigungen der Frauen gut Bescheid.

Start an Mainbrücke

Beginnend auf der als „schönste Brücke Deutschlands“ bezeichneten Alten Mainbrücke positionierte die Gruppe sich um die einzige Frau der Brückenfiguren – der Darstellung der Heiligen Jungfrau Maria. Zum Schmunzeln meinte der Stadtführer, Ansinnen der männlichen zur Seite stehenden Herrscher und Heiligen sei es, der so genannten Patrona Franconiae zu dienen. Mit Blick auf die Burkarder Kirche, am Fuße der Festung Marienberg, berichtete Held von der seligen Immina. Ursprünglich Äbtissin in Würzburg (zwischen 670 und 700 n. Chr.), tauschte sie Güter mit dem späteren heiligen Burkard. Sie wurde Äbtissin in Karlburg und ermöglichte so dem ersten Bischof von Würzburg einen würdigen Bischofssitz. Sie gilt als Mitbegründerin des Bistums. 

Starke Frauen

Elisabeth Dauthendey, Klara Oppenheimer und Magdalena Schoch verbindet neben ihrer jüdischen Herkunft zeitweise ein gemeinsamer Lebensweg sowie ein Engagement für Frauenrechte. Sie waren Absolventinnen der Sophienschule. Diese war bis 1937 eine private höhere Lehranstalt für Mädchen, nach der Wiedereröffnung 1941 als Mozartschule bekannt.

Elisabeth Dauthendey

Elisabeth Dauthendey wurde 1854 als jüngste Tochter des Hoffotografen von Zar Nikolaus I. in St. Petersburg geboren. Sie steht im Schatten ihres Halbbruders, des in Würzburg viel bekannteren Dichters Max Dauthendey. Wenig bekannt ist ihre eigene schriftstellerische Tätigkeit, besonders Märchen und Novellen verfasste sie. Aufmerksamkeit erlangte sie mit ihrem Werk „Vom neuen Weibe und seiner Liebe“, in welchem sie sich 1900 mit der Frauenfrage und dem Problem der Ehe auseinandersetzte. Nach ihrem Lehrerinnenexamen schloss sie sich 1898 dem Frauenbildungsverein „Frauenheil“ an und war unter den Antragstellerinnen zum Besuch von Vorlesungen an der Universität Würzburg. Das Frauenstudium war in dieser Zeit noch nicht allgemein zugelassen.

Als Halbjüdin drohten Elisabeth ab 1933 Berufsverbot und Verfolgung durch die Nazis. Beruflich und privat zurückgezogen versuchte sie, keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dies führte dazu, dass sie die letzten Lebensjahre bis zu ihrem Tod mit 90 Jahren in finanzieller Not verbringen musste.

Klara Oppenheimer

Die Kinderärztin Klara Oppenheimer zählte zu den leidenschaftlich in der Würzburger Frauenbewegung wirkenden Feministinnen. Frauen durften bis 1918 weder wählen noch sich wählen lassen. Sie hatten kein Recht auf Abitur und Studium, Lehrerinnen mussten im Zölibat leben.

Oppenheimer tritt für die Frauen-Emanzipation in Gesellschaft und Politik ihrer Zeit ein. Sie wird Lehrerin, übt den Beruf jedoch nicht aus. Sie engagiert sich besonders für gute Bildung für Mädchen, macht erst mit 40 Jahren selbst ihr Abitur und erkämpft sich das Studium der Medizin, womit sie als eine der ersten Frauen Würzburgs in eine Männerdomäne eindringt. 50-jährig eröffnet Klara Oppenheimer 1918 ihre Praxis als Kinderärztin. Unter dem nationalsozialistischen Regime gibt sie diese 1933 wieder auf. 1943 wurde sie im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet.

Johanna Stahl

Im jüdischen Gemeindezentrum Shalom Europa in der Valentin-Becker-Straße befindet sich das „Dokumentationszentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken“ – das nach ihrer Gründerin benannte „Johanna-Stahl-Zentrum“. Johanna Stahl, 1895 in Würzburg geboren, studierte Germanistik in Würzburg und Volkswirtschaftslehre in Frankfurt. Nach ihrer Promotion kehrte sie nach Würzburg zurück und arbeitete als Journalistin. Auch sie setzte sich für ein aktives Wahlrecht für Frauen ein. Sie war Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), für die sie 1929 auf der Würzburger Stadtratsliste als eine der ersten Frauen kandidierte. Auf Druck der Nazis musste sie ihren Beruf als Journalistin aufgeben. In der Jüdischen Gemeinde betreute sie dann besonders Frauen und unterstützte auswanderungswillige Juden. Obwohl ihr eigener Ausreiseantrag 1938 genehmigt wurde, entschloss sie sich, in Deutschland zu bleiben. Johanna Stahl wurde mit der letzten Gruppe unterfränkischer Juden im Juni 1943 aus Würzburg Richtung Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ein Stolperstein erinnert vor dem Haus Konradstraße 9 in Würzburg an die jüdische Journalistin.

Magdalena Schoch

Magdalene Schoch wurde 1897 in Würzburg geboren. Sie war die Tochter eines Tuchhändlers. Ihr Leben war von Schicksalsschlägen geprägt: 1914 erhängte sich der Vater wegen des Bankrotts seines Geschäfts, ihr Bruder fiel im ersten Weltkrieg. Mit ihren Schwestern und ihrer Mutter eröffnete sie eine kleine Pension, mit der sich die Familie notdürftig über Wasser hielt. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft erfolgte 1920 die Promotion zur Dr. jur. in Würzburg. Als erste Frau in Deutschland habilitierte sie 1932 und emigrierte 1937 aus politischen Gründen in die Vereinigten Staaten. Später arbeitete die Professorin dort als angesehene Juristin im Justizministerium in Washington. 1987 starb sie in Virginia.

Emy Roeder

Ein Schild am Marktplatz 12 weist auf das Geburtshaus von Emy Roeder 
(* 1890), hin. Die Eltern betrieben hier einen Textilhandel. Obwohl für Frauen damals ungewöhnlich, unterstützte der Vater die künstlerischen und besonders bildhauerischen Neigungen der Tochter. Nach Ausbildung in Würzburg, München und Darmstadt begann sie eigenständig in Berlin und schloss sich avantgardistischen Künstlergruppe an. Als erfolgreiche Bildhauerin genoss sie einen guten Ruf, namhafte Bekannte waren Käthe Kollwitz, Ernst Barlach oder Karl Schmitt-Rotluff. Wie bei ihren Künstlerfreunden wurden auch Roeders Werke als „entartete Kunst“ von den Nationalsozialisten beschlagnahmt, darunter 1937 ihre wohl berühmteste Plastik „Die Schwangere“. Danach konnte sie nicht mehr als Künstlerin in Deutschland arbeiten. Sie lebte von finanziellen Sorgen geplagt vorwiegend in Florenz, kehrte nach dem Ende des Kriegs zurück nach Deutschland und verstarb 1971 in Mainz, beigesetzt in der Familiengruft in Würzburg. Ihren Nachlass vermachte sie der Stadt Würzburg. Bei Grabungen zu U-Bahn-Arbeiten vor dem Roten Rathaus in Berlin ereignete sich die „Sensation“ – man fand 2010 neben anderen auch Emy Roeders Kopfteil der Skulptur „Die Schwangere“, die als verschollen galt.

Die herausragenden Frauen aus Würzburg, deren Namen bis heute nicht vergessen sind, waren Netzwerkerinnen. Obwohl sie benachteiligte Frauen und gebrandmarkt waren durch ihre Herkunft und ihnen daher viele Einschränkungen und persönliche Not widerfahren ist, zeigten sie wirksam und kontinuierlich Power, um gemeinsam Veränderungen zu gestalten.

Brigitte Laudenbacher