„Ich weiß nicht mehr weiter!“ – „Ich habe die Freude an der Arbeit verloren!“ – „Jetzt reicht es mir!“ – „Es muss sich etwas ändern!“ Mit solchen Aussagen beginnt oft eine Auszeit im Kloster.
Menschen spüren, dass es nicht mehr so weitergeht wie vorher, dass etwas zu Ende ist und Neues beginnt. Das Neue aber ist noch verborgen, noch nicht erkennbar. Oft geht damit ein Gefühl von Hilflosigkeit einher, das einem bereits den Boden unter den Füßen wegzieht. Halt und Orientierung fehlen. Eine Auszeit kann helfen, Abstand vom Alltag zu gewinnen. Es bedeutet, sich eine Pause zu gönnen, um dem Hamsterrad des Alltäglichen zu entfliehen, um wieder durchzuatmen, zu neuen Kräften zu kommen, sein Leben neu zu ordnen oder den Überblick wieder zu gewinnen.
Individuell auf jeden Gast zugeschnitten dauert eine Auszeit zwischen drei Tage bis zu vier Wochen. Sie richtet sich an Männer wie Frauen jeden Alters, gläubig oder suchend. Die Gestaltung der Tage wird in einem Vorgespräch abgestimmt, um den jeweiligen Bedürfnissen gerecht zu werden. Es kann beispielsweise eine Auszeit sein, die mehr der Erholung dient oder eine Exerzitienzeit, gestaltet mit biblischen Texten, Stille und Meditation. Die Auszeit soll helfen, zu sich zu kommen, den Geist klarer und das Herz offener werden zu lassen. Der gewohnte Alltagstrott wird durchbrochen, das Tempo heruntergefahren. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die wunderschöne Natur im Kloster selbst oder in der Umgebung den Main entlang wahrzunehmen. Die Schwestern laden alle Gäste herzlich ein, an Gebetszeiten und Gottesdiensten teilzunehmen. Begleitende Gespräche können den Prozess einer inneren Neuausrichtung unterstützen.
Keine*r geht am Ende, wie er oder sie gekommen ist. Bei jedem Auszeit-Gast entsteht ein Entdeckungsprozess, indem man sich neu erleben und erfahren kann. Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Menschen, die sich zu einer Auszeit aufgemacht haben, erst einmal schlafen müssen. Viele reisen gestresst, angespannt, orientierungslos oder völlig überarbeitet an. Sich auszuschlafen ist daher die erste Aufforderung in der Auszeit. Der erste Dialog ist meistens von der aktuellen (Stress-)Situation geprägt, von Hektik und Hilflosigkeit, von schnellem und lautem Sprechen, um herauszulassen, was belastet. Im Aussprechen und Reden vollzieht sich bereits ein erster Klärungsprozess, der hilft, weiterzugehen und sich auf Neues einzulassen. Während der Auszeit entspannt sich der Körper, so wird auch die Stimme ruhiger und der Blick wendet sich vom Äußeren zum Inneren.
Die Auszeit schafft damit einen Raum, das innere Gleichgewicht zu finden. Sie ermöglicht, Neues zu denken, neue Wege zu gehen, andere Strategien zu wagen oder einen Schlussstrich zu ziehen. Die Gäste können Entscheidungen treffen, die sie in Ruhe erwogen haben oder sich neuen Perspektiven öffnen. Auch das Vertiefen der Gottesbeziehung oder ein gewandeltes Gottesbild können Frucht dieser Tage sein.
Das Angebot einer Auszeit umfasst sowohl die körperliche Erholung als auch die Begleitung anhand biblischer Texte. Durch die erfahrene Stille wendet sich in dieser Auszeit die Blickrichtung auf das eigene Menschsein mit den Stärken und Schwächen. Daher kommt es nicht selten vor, dass die Frage nach dem Sakrament der Beichte auftritt. Sich seiner Blockaden sowie seines Fehlverhaltens bewusst zu werden, dient dem Prozess der Menschwerdung in gleicher Weise wie das Neu- bzw.Wiederentdecken der geschenkten Talente und Fähigkeiten.
Eines ist sicher: alle Gäste gehen nach dieser Auszeit anders zurück in den Alltag als sie gekommen sind. Es hat sich etwas geändert. Ein Neubeginn kann starten!
Dr. Regina Postner
Leitung Haus Klara