Dienst, aber nicht Bedienstete

Ordensfrauen – Im Frühjahr haben sich Ordensfrauen im Mitteilungsblatt des Vatikan beschwert. Sie klagten über lange Arbeitszeiten, schlechte Bezahlung und fehlende Wertschätzung in den Haushalten von Klerikern.

„Der Klerikalismus tötet die Kirche“, resümierte eine der betroffenen Schwestern prägnant. Bei der Audienz für die Internationale Vereinigung von Generaloberinnen (UISG) am 12. Mai 2016 hatte Papst Franziskus die Rolle der Frau in der Kirche als „Recht einer Getauften mit den Charismen und Gaben, die der Geist geschenkt hat“ (https://w2.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2016/may/documents/papa-francesco_20160512_uisg.pdf) bezeichnet. Deutlich wandte er sich gegen den Klerikalismus, bemerkte aber auch, dass dieser nur funktioniert, wenn Laien – Frauen wie Männer – wie der andere Part beim Tango mittanzen. Der Papst ermutigte die Ordensschwestern, Grenzen zu ziehen: „Und wenn man euch Oberinnen um etwas bittet, das kein Dienst, sondern vielmehr eine Tätigkeit als Bedienstete ist, dann seid mutig und sagt »nein«. (…) Denn wenn man will, dass eine geweihte Frau als Bedienstete tätig ist, dann werden das Leben und die Würde dieser Frau abgewertet. Ihre Berufung ist der Dienst: der Dienst an der Kirche, wo auch immer sie ist. Aber keine Tätigkeit als Bedienstete!“ (ebd.)

Machtgefälle in der Kirche

Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Die patriarchalen Strukturen der Kirche sorgen für ein Machtgefälle und eine anhaltende Geschlechterhierarchie. Dass es zu Formen der Diskriminierung und des Machtmissbrauchs kommt, ist nicht verwunderlich. Dabei ist das Phänomen keineswegs neu. Antonia Werr (1813-68), Gründerin der Oberzeller Franziskanerinnen, beschwerte sich in einem Brief vom 22. Februar 1858 über die Erwartung des Klerus, dass ihre Schwestern zu servilem Dienst verfügbar sein sollten: „Der Herr Bischof aß kürzlich bei Herrn Pf[arrer] v. Zell zu Mittag worüber dieser auch ganz entzückt war; eine unserer Schwestern verlangte er, um in der Küche zu helfen, ich that es ungern, doch weil es der Pf. war, wollte ich es nicht abschlagen; denn ich habe keine Küchenmägde zu Schwestern, die man ausleiht, wenn irgend wo Dinner ist.“

Freilich liegt ein Teil der Verantwortung bei den Ordensfrauen selbst. Auch die von Antonia Werr errichteten klösterlichen Strukturen beruhten auf striktem Gehorsam, widerspruchsloser Dienstbereitschaft, ständiger Verfügbarkeit und Unterwerfung unter die kirchliche Hierarchie. Neben der Überbetonung der Kreuzestheologie trug nicht selten auch die Mariologie dazu bei, dass die Dienstbereitschaft bei Ordensfrauen bisweilen masochistische Züge bis hin zur völligen Selbstaufgabe annahm.

Orden mischen sich ein

„Orden – Macht – Politik“ war ein Werkstattgespräch überschrieben, das ich am 12. Mai zusammen mit Pater Martin Maier SJ (Brüssel) und Schwester Anna Schenck CJ (Hannover) beim diesjährigen Katholikentag in Münster anbot. Inhaltlich ging es um die Rolle von Ordensgemeinschaften in der Politikgestaltung. Für uns Oberzeller Franziskanerinnen leitet sich der Auftrag, sich aktiv in dieser Welt zu engagieren, aus der Menschwerdung Jesu her. Wenn Gott die Welt so ernst genommen hat, dass er selbst in Jesus Mensch geworden ist, dann müssen und dürfen wir uns in die Gestaltung der Welt und Kirche einbringen. Dieser Einsatz leitet sich auch vom Evangelium her. Die Gottes- und Nächstenliebe beinhaltet, dass wir Wege suchen müssen, Armut, Hunger, Krankheit, Not und Ungerechtigkeit zu beseitigen, damit Menschen ein menschenwürdiges Leben führen können.

Gelübde verpflichten zu Solidarität

Für Ordensleute liegt ein weiterer Weg in der sozialen Dimension der Gelübde: Aus der freiwillig versprochenen Armut folgt der entschiedene Einsatz, Menschen beizustehen, die in unfreiwilliger Armut und Elend gefangen sind. Wir suchen Wege, Eigentum so zu gebrauchen, dass es dem Gemeinwohl dient. Aus dem Gehorsam entspringt das Hören auf Gott, andere Menschen und die Zeichen der Zeit. Die ehelose Keuschheit um des Himmelreiches willen befähigt uns, lautere Beziehungen auf Augenhöhe zu suchen. Das Leben in Gemeinschaft fordert heraus, mit allen Menschen geschwisterlichen Austausch zu pflegen und sie – unabhängig von ihrer Herkunft, Vergangenheit, Religion Weltanschauung, ihrem Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung – als Kinder Gottes zu achten. Das Reich Gottes, das Jesus vorgelebt und verheißen hat, sprengt alle Unterschiede zwischen Männern und Frauen, Juden und Nicht-Juden, Sklaven und Freien (vgl. Gal 3,26-28). Dementsprechend sind jede Form religiösen Fanatismus und Fundamentalismus, Diskriminierung Andersgläubiger, Rassismus und Frauenverachtung nicht mit dem christlichen Glauben vereinbar.

Prophetische Stimme sein

Aus franziskanischer Perspektive umfasst der Auftrag zur Politikgestaltung den Einsatz für Gewaltlosigkeit und Frieden, die Aufforderung zum interreligiösen Dialog, zu einer Haltung, die uns von anderen lernen lässt und den ehrfürchtigen Umgang mit der Schöpfung. Franziskus hat in der friedlichen Begegnung mit dem Sultan Malek-el-Kamil im Sommer 1219 vorgelebt, dass interreligiöser Dialog gelingen kann. Sein Verbot Waffen zu tragen und seine radikale Besitzlosigkeit stacheln an, das eigene Verständnis von Besitz zu überprüfen.

Der Jesuit Pater Martin Maier arbeitet für die Europäische Bischofskonferenz in Brüssel. Er begründet seinen Einsatz mit dem Projekt Jesu, dem Reich Gottes. Jesus hat ein revolutionär neues Verständnis von Politik, Macht und Gemeinwohl geschaffen. Statt Macht auszuüben, lehrte er, sich in den Dienst Gottes und der Menschen zu stellen. Heute in Europa Stimme derer zu sein, die keine Stimme haben, bedeutet nach Maier für 100 Millionen Menschen einzutreten, die an den Rand gedrängt sind. Mit seiner Enzyklika „Laudato si“ hat Papst Franziskus den Schrei der Armen und den Schrei der Erde hörbar gemacht. Schwester Anna Schenck CJ, die in Hannover beim Caritasverband arbeitet, begründete das Engagement der Ordensleute mit der Anwaltschaft und prophetischen Dimension der Gelübde. In Zeiten, in denen unsere Gemeinschaften über Mitgliederrückgang klagen, sei es eine Gefahr, sich nur noch nach innen zu konzentrieren und mit dem Kleinerwerden zu beschäftigen. Dagegen müssten wir uns die Hände schmutzig machen und uns weiter einmischen.

Ohne Gerechtigkeit kein Reich Gottes

Rund 60 Interessierte – darunter erstaunlich viele Ordensfrauen – waren zu dem Werkstattgespräch gekommen. Als ich die Meinung vertrat, dass es neben dem gesellschaftspolitischen Engagement der Orden und Kongregationen
auch Anstrengungen braucht, um die ungleichen Verhältnisse von Männern und Frauen zu überwinden und innerkirchlich für mehr Geschlechtergerechtigkeit einzutreten, brandete heftiger Applaus auf.

Das Thema scheint also auch in Deutschland brisant. Innerkirchlichen Frieden wird es dauerhaft nur geben, wenn (Ordens-)Frauen über das ihnen qua Jungfräulichkeit oder Mutterschaft zuerkannte „marianische Prinzip“ auch zugestanden wird, am „petrinischen Prinzip“ Anteil zu haben – oder, wenn Maria die gesamte Kirche repräsentiert, „kann und darf Kirche sich nicht vorrangig als Institution (…) oder gar als klerikal-hierarchischer Machtapparat (…) repräsentieren.“ (Greshake, Maria-Ecclesia, 584). Das Magnifikat Marias ist und bleibt eine zeitlos aktuelle Aufforderung, die Macht der Mächtigen zu hinterfragen und am Reich Gottes zu arbeiten. Ohne Geschlechtergerechtigkeit wird es jedenfalls kaum Gestalt annehmen können.

Sr. Dr. Katharina Ganz