Bewegte Meditation

T‘ai Chi Chih – Schwester Antonia Cooper ist ausgebildete Lehrerin für T‘ai Chi Chih. Ein Einblick in Wesen und Wirkung dieser Form spiritueller Übungen.

Während ihrer 13-monatigen Sabbatzeit, im März 1990 im franziskanischen Zentrum in Saint Paul (Minnesota), lernte Schwester Antonia Cooper die bewegte Meditationsform T‘ai Chi Chih (TCC) kennen wovon sie hier berichtet. Dieses Zentrum wurde von den Franziskanerinnen der ewigen Anbetung gefördert, wo 13 Schwestern aus verschiedenen Kongregationen in Gemeinschaft lebten während sie Programme besuchten, die auf persönliches Wachstum in Körper, Geist und Seele ausgerichtet waren.

Hauptbestandteil dieses Programms war die wöchentliche Psychotherapie, die durch zwei Gruppentherapiesitzungen pro Woche unterstützt wurde, zusammen mit der Achtsamkeit für den Körper durch therapeutische Massage, Yoga, Energietherapien und dem Erlernen dieser TCC-Form. Es gab noch viele andere Programme – besonders eines wurde von einer Schwester von Saint Joseph gelehrt, die auch Psychotherapeutin war. Ihre Vorträge waren sehr informativ, wie zum Beispiel über den Unterschied zwischen Schuld (Ich habe einen Fehler gemacht.) und Scham (Ich bin ein Fehler.), gekoppelt mit der Lehre des „falschen Selbst“ und „wahren Selbst“. Sie sagte, ein Weg, sich vom falschen Ego-Selbst in das wahre Selbst zu bewegen, wo Gott wohnt, ist die Praxis des kontemplativen Gebets. Das hat meine Aufmerksamkeit erregt, weil wir in unserer Lebensordnung mehrere Artikel haben, die sich auf kontemplatives Gebet oder Haltung beziehen.

Wir wurden auch ermutigt, das Gelernte zu „üben“, also wählte ich jeden Morgen das kontemplative Gebet, gefolgt von den TCC-Übungen. Wochenlang ging alles gut, bis ich eines morgens während des Sitzens so abgelenkt war, dass mir das Schweigen schwerfiel. Also beschloss ich, dass es das Beste wäre, anstatt Zeit mit Ablenkungen zu „verschwenden“, mit dem 30-Minuten-Training von TCC zu beginnen. Als ich mich wieder hingesetzt hatte, war ich erstaunt, wie ruhig, zentriert, friedlich und doch voller Energie ich war. Dies war der Moment, in dem ich mich entschied, TCC-Lehrerin zu werden. Ich bereitete mich auf die Akkreditierung vor. Ende Januar nahm ich an einem Ausbildungskurs teil und erhielt die Akkreditierung am 2. Februar 1991 – dem Fest der Darstellung des Herrn – kein Zufall!

Ein kompletter T‘ai Chi Chih Zyklus besteht aus 19 einfachen, leicht zu erlernenden Bewegungen und einer abschließenden Pose. Zweck des Übens ist es, die inneren Energien zu zirkulieren und auszubalancieren, was Gesundheit und Heilung an Psyche, Körper und Geist fördert. Junge und Alte, Kranke und Gesunde, können diese Heilmethode erlernen und praktizieren, welche im Stehen oder im Sitzen ausgeführt werden kann. An der University of California, Los Angeles, wurden Studien hinsichtlich des gesundheitlichen Nutzens von T‘ai Chi Chih durchgeführt. Die Ergebnisse sind nachzulesen auf der offiziellen TCC-Internetseite (www.taichichih.org) unter T‘ai Chi Chih und Health Benefits. Die Studie wurde am neuropsychiatrischen Institut durchgeführt. Dort fand man heraus, dass TCC hilft, die Anfälligkeit für Krankheiten zu verringern und die allgemeine Gesundheit zu verbessern, unter anderem, weil es zur Linderung von Depressionen beiträgt.

Nach der Rückkehr in meine Gemeinschaft in New Jersey begann ich zu unterrichten. Schon bald wurde ich von verschiedenen Exerzitienhäusern, Kirchen und Organisationen eingeladen, Kurse und Exerzitien durchzuführen – alles über Mundpropaganda. Allmählich begannen die Teilnehmenden zu fragen, wie sie als Trainer bzw. Trainerin für TCC zugelassen werden könnten. Daher hielt ich es für besser, den Trainer nach New Jersey einzuladen, anstatt dass alle durch die Vereinigten Staaten reisen, um an einem Akkreditierungs-Kurs teilzunehmen. Seit 1994 finden fast jährlich lokale Schulungen statt, und die TCC-Gemeinschaft wächst weiter.

Justin F. Stone entwickelte diese Meditations-Form im Jahr 1994, nachdem er mit Bewegungen experimentiert hatte, die auf den chinesischen Prinzipien von Chi Gong basierten. Er sagte, er sei „göttlich inspiriert“ gewesen, als die Abfolge der Übungen Gestalt annahm. Im November 2003 fragte er mich, ob ich die internationale Führung übernehmen würde, indem ich „die Gemeinschaft vereine“ und „T‘ai Chi Chih in die Zukunft führe“. Nach einer durch das Gebet gereiften Einsicht und dem Gespräch mit meinen Mitschwestern in der Region und anderen, stimmte ich dieser Aufgabe zu.

So war ich für 10 Jahre mit vielen Gelegenheiten gesegnet, Schüler und Schülerinnen in den Vereinigten Staaten, Kanada, Italien und England zu treffen. Einige taten sich schwer damit, dass ich eine katholische Franziskanerin bin, da sie in ihren prägenden Jahren schlechte Erfahrungen mit Ordensleuten und Geistlichen gemacht hatten und aus der Kirche ausgetreten waren. Andere fürchteten, dass ich anfangen würde, Religion in TCC einzubringen. Ich half ihnen dabei, diese Vorstellung zu überwinden und sich darauf einzulassen. Ich erklärte den Unterschied zwischen Religion und Spiritualität und dass T‘ai Chi Chih eine spirituelle Praxis ist. Aber gewiss kann die Religion eine Person in eine tief spirituelle Erfahrung des Heiligen führen, die wir Mystizismus nennen.

In dieser Rolle als Wegweiserin arbeitete ich mit zwei anderen Frauen, die Führungskräfte waren und TCC-Lehrer und Lehrerinnen ausbildeten. Wir planten jährliche internationale TCC-Konferenzen und erstellten verschiedene Programme zur weiteren Unterstützung von Lehrenden und Lernenden. Diese Jahre trugen dazu bei, meine Ansichten über das Leben zu vertiefen und zu erweitern und alle Menschen als Kinder Gottes anzusehen und zu akzeptieren, besonders diejenigen, die Kirche und Gesellschaft oft als moderne Ausgestoßene betrachten.

Im Laufe der Jahre habe ich erkannt, dass die ganzheitlichen Vorteile tief in die Seele der Menschen hineinreichen und dort eine innere Freiheit schaffen, oft durch Versöhnung mit sich selbst, anderen und Gott, einem Charisma unserer Kongregation.

Nach unserem Generalkapitel 2013 trat ich als Leiterin der TCC-Gemeinschaft zurück und benannte einen Nachfolger. Ich bin damit gesegnet, weiterhin jährlich zwei Exerzitien mit TCC in einem franziskanischen Exerzitienhaus durchführen zu können und darüber hinaus Menschen geistliche Begleitung und Heilung durch Handauflegen anzubieten. Selbstverständlich ist mein hauptsächlicher Dienst in der Generalleitung der Kongregation und in der Region der Heiligen Familie.

In Oberzell freute ich mich über die Gelegenheit, einen Teil der TCC-Übungen an zehn Frauen – darunter drei Schwestern – zu vermitteln. Der Unterricht wurde unterstützt durch ausgehändigte Materialien mit den Namen der Bewegungen, sechs Prinzipien wie man sich bewegt und schriftlichen Erklärungen für jede Bewegung. Alle Anwesenden schienen Freude daran gehabt zu haben, T‘ai Chi Chih zu lernen und zu üben, und ich freue mich auf weitere solche Zusammenkünfte in der Zukunft!

Sr. Antonia Cooper