Gemeinsam auf diesem Planeten unterwegs im Jahr 2020 mit allen Einschränkungen, Ängsten, Sorgen und Nöten, aber auch mit Solidarität und (Nachbarschafts-)Hilfen.
An das Jahr 2020 werden sich alle noch lange erinnern: einerseits an all‘ die mit dem Corona-Virus verbundenen Einschränkungen, Ängste, Sorgen und Nöte. Andererseits lösten sie eine Welle von Solidarität und Nachbarschaftshilfe aus, die unter anderen Umständen so wohl nicht zum Vorschein gekommen wäre. Man kann Zusammenhänge erkennen, die üblicherweise im Alltag wenig bewusst sind. Auch der Planet Erde, Lebensraum aller Menschen, verbindet miteinander. Das stellt Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato Si‘ (LS) immer wieder heraus. Er schreibt, „dass unser gemeinsames Haus (die Erde) wie eine Schwester ist, mit der wir das Leben teilen“ [LS 1] und: „Wir vergessen, dass wir selber Erde sind (vgl. Gen 2,7). Unser eigener Körper ist aus den Elementen des Planeten gebildet; seine Luft ist es, die uns den Atem gibt, und sein Wasser belebt und erquickt uns.“ [LS 3]
Renommierte Wissenschaftler*innen sind sich einig, dass es einen Zusammenhang zwischen der Zerstörung natürlicher Ökosysteme und dem Auftreten und der Ausbreitung neuer Infektionskrankheiten wie des Corona-Virus gibt. In den vergangenen Jahren zählten auch die Vogelgrippe und SARS dazu. Solche Viren stammen meist aus der Tierwelt. Durch die Reduzierung der natürlichen Lebensräume und der Artenvielfalt sowie das Zusammenrücken von Menschen und (Wild-)Tieren ist eine Übertragung wahrscheinlicher. Es ist erwiesen, dass ein gesunder Boden und guter Kompost Viren unschädlich machen können. Pestizide und andere Chemikalien schwächen das natürliche Immunsystem des Bodens, denn dadurch verschwinden viele Arten an Mikroorganismen; hauptsächlich die so genannten Generalisten bleiben übrig. Diese Arten kommen mit vielen Bedingungen zurecht. Allerdings gilt: je artenreicher die mikrobielle Gemeinschaft im Boden ist, desto mehr Krankheitserreger kann sie potentiell abtöten.
Ein konkretes Beispiel aus dem unmittelbaren Alltag: In der Luft tummeln sich immer mehr Schadstoffe wie Staubpartikel oder Stickoxide, die zu einer Zunahme an Atemwegs- und Krebserkrankungen führen. Dies hat in den Innenstädten die enorme Zunahme des Verkehrs in den letzten Jahrzehnten verursacht. Ein anderes Beispiel ist der Plastikkreislauf. Jede Person in Deutschland erzeugt pro Jahr durchschnittlich 38 kg Kunststoffmüll. Die meisten der Kunststoffe, die die Deutschen in den Gelben Sack werfen, werden in der Müllverbrennungsanlage verbrannt oder ins Ausland verkauft. Dort allerdings werden sie oft nicht recycelt, sondern landen auf Mülldeponien und gelangen durch Witterungseinflüsse ins Meer, wo sie sich als Plastikinseln ansammeln. Jede Minute landet eine LKW-Ladung an Plastikmüll in den Weltmeeren! Dieser Müll wird mit der Zeit von Wasser und Wind in immer kleinere Partikel zerkleinert, die schließlich von Fischen verzehrt werden und so in die Nahrungskette gelangen. Die Mikroplastik genannten Teilchen kleiner als 5mm finden sich nachweislich im menschlichen Körper – ihre gesundheitlichen Auswirkungen auf den Menschen werden noch erforscht. Klar ist, dass die Plastikteilchen Gifte binden, die in den Körper gelangen können.
Hoffnungszeichen
„Die dringende Herausforderung, unser gemeinsames Haus zu schützen, schließt die Sorge ein, die gesamte Menschheitsfamilie in der Suche nach einer nachhaltigen und ganzheitlichen Entwicklung zu vereinen, denn wir wissen, dass sich die Dinge ändern können.“ [LS 13] schreibt Papst Franziskus. Um das Bewusstsein um den kritischen Zustand unseres Planeten in Kirche und Welt zu erhöhen und damit endlich ins Handeln zu kommen, ruft er ein Laudato Si‘-Jahr“ aus, das am 24. Mai 2020, dem 5. Jahrestag des Erscheinens der gleichnamigen Enzyklika, begonnen hat.
Weltweit ist eine Bewegung entstanden, die möglichst auf Einwegplastik verzichten möchte. Auch Einzelhändler*innen haben sich inzwischen darauf eingestellt und begrüßen es, wenn Kund*innen ihre eigenen Gefäße mitbringen und Lebens- oder Reinigungsmittel darin abfüllen lassen. Manche Familien setzen gar auf „Zero Waste“ (deutsch: Null Abfall). Ihr Ziel ist es, komplett ohne Abfall auszukommen, was durch Vermeiden, Reduzieren, Wiederverwenden, Reparieren und Recyceln zwar nicht ganz, doch weitgehend gelingt.
Die Fridays for Future-Bewegung, ausgehend von der Jugendlichen Greta Thunberg, macht seit etwa zwei Jahren immer wieder deutlich, dass nur dieser eine Planet existiert, den es zu schützen gilt. Auch die Kongregation der Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu unterstützt die Forderungen dieser Bewegung. Zudem wurde sie Mitglied des Ökumenischen Netzwerkes Klimagerechtigkeit, welches die Initiative „Churches for Future“ (Kirchen für die Zukunft) unterstützt. Einige Schwestern sind im Herbst bei der weltweiten Klimademo mitgelaufen und haben im April ganz modern online für Klimaschutz demonstriert (s. Seite 29). Als Ausgleich für die Emissionen aus nicht vermeidbaren Flügen finanzieren die Oberzeller Franziskanerinnen Klimaschutzprojekte mit und konnten so für das Jahr 2019 über 100 Tonnen an CO2 kompensieren.
So schlimm Leiden und Sterben und die Nöte rund um das Corona-Virus sind und waren, so atmeten Natur und Klima auf. Auf dem Höhepunkt der strikten Corona-Maßnahmen ist der tägliche CO2-Ausstoß weltweit zurückgegangen. In Deutschland reduzierten sich die Werte des CO2- Ausstoßes zu Spitzenzeiten der Beschränkungen Anfang April vorübergehend um mehr als ein Viertel, im Verkehr schätzungsweise sogar um über die Hälfte.
Alle sitzen in einem Boot und können durch gemeinsames Handeln daran mitwirken, dass unser Planet in seiner Schönheit und Vielfalt erhalten bleibt und auch zukünftig für Mensch, Tier und Pflanze Lebensraum bietet. Wir Menschen sind verwoben mit unserer Mitwelt in einem Lebenskreislauf, in dem durch Flora, Fauna, Luft und Wasser alles mit allem verbunden ist. Franz von Assisi erkannte diesen Zusammenhang und bezeichnete Himmelskörper, Erde und Elemente in seinem Sonnengesang als Brüder und Schwestern. Dieser Lobgesang bezieht die ganze Schöpfung in das Lob des Schöpfers ein. Der deutsche Schriftsteller und Philosoph Jean Paul (1763-1825) drückt es in seinem Gedicht „Einladung“ so aus:
Nimm Platz
schau das Grün der Bäume
rieche den Duft der Blüten
lausche dem Gesang der Vögel
fühle die Formen des Lebens
genieße den Geschmack frischen Wassers.
Unsere größten Erlebnisse
sind nicht die lautesten
sondern unsere stillsten Stunden.
Das Corona-Virus hat die Menschen gelehrt, wie fragil die Welt sein kann und dass die Globalisierung auch negative Auswirkungen hat. Jeder und jedem wurde deutlicher bewusst, wer und was wichtig ist, welche Werte man leben möchte und dass es bereichernd ist, aus dieser Spirale des „Immerschneller- und-immer mehr“ einmal auszubrechen. Viele haben erkannt, wie gut es tut, im Garten zu pflanzen oder mit der Familie eine gemütliche Fahrradtour zu unternehmen. Der Text von Jean Paul kann als Anregung dienen, das umsonst Geschenkte, diese einzigartige Schöpfung, wieder neu wahrzunehmen – mit allen Sinnen – und wertzuschätzen. Denn nur was wir lieben, schützen wir.
Sr. Beate Krug