ADVENT – Warten können

Warten Sie auch so ungern? – Ob im Wartezimmer des Arztes, ob vor roten Ampeln oder auf zugigen Bahnsteigen – ich empfinde Warten als unangenehm. Es gibt aber auch ein anderes Warten: Eltern warten auf die Geburt ihres Kindes. Der fiebernde Kranke auf den Morgen nach der schwer auf seiner Seele lastenden Nacht. Der alte Mensch wartet auf das einzig noch Sichere – auf den Tod.

Warten! Nicht selten ist es uns unangenehm, weil wir es verlernt haben. Wer wartet schon auf das Reifen der Früchte – stattdessen greifen wir zur Tiefkühltruhe. Wer schickt in dringenden Fällen noch einen Brief auf die Reise, WhatsApp oder E-Mail verkürzen alle Fristen. Wer lässt noch eine Beziehung wachsen: ich will alles von dir und zwar sofort ist die Devise.Wir haben das Warten verlernt. – Vielleicht ist das der Grund, weshalb es auch mit dem Warten können im Advent so schwierig geworden ist. In unseren Städten und Geschäften ist Weihnachten schon längst da.

Deshalb spricht man auch von Weihnachtsmärkten und nicht von Adventsmärkten, was eigentlich die richtige Bezeichnung wäre. Dazu war vor kurzem in einer Zeitung zu lesen: „Wie die Zeit vergeht! Noch hat der Hamster nicht in seinen Winterschlaf gefunden, da röstet man an allen Ecken schon die Zuckermandeln und schenkt klebrigen Glühwein aus. Der Mensch sieht die Tage verrinnen, und Panik packt ihn ärger als eine Virusinfektion. Advent, die Zeit der Besinnung? Daran glaubt höchstens noch die Kirche. Gehetzter die Gesichter der Menschen von Tag zu Tag, rasender die Geschäftigkeit, wie ein Blick in jeden Terminkalender beweist. Kollektives Stöhnen am Handy: ‚Vor Weihnachten? Ausgeschlossen!‘ Vor Weihnachten drehen sie alle durch.“

Die stillste Zeit will der Advent sein, und tatsächlich hat es draußen in der Natur den Anschein, das Leben versorge nach Blüte, Reifung und Ernte seinen Haushalt und begäbe sich zur Ruhe; allein der Mensch setzt in diesen Tagen des Jahres noch einmal zu einem gewaltigen „Finale furioso“ an und erzielt Rekordumsätze. Die besinnlichste Zeit des Jahres will der Advent sein, aber nur allzu leicht gerät uns die Besinnlichkeit zur vordergründigen Sinnlichkeit: Anstatt uns zu sammeln, verflüchtigen wir uns zwischen süßen Punsch- und Honigdüften und machen mit tausenden bunten Lichtern auch noch die Nacht zum Tag. Advent, das ist die Wartezeit, – zumindest für uns Christen! Bei all dem Trubel, bei all den Vorbereitungen spüre ich, alles das ist es nicht, um was es wirklich geht in diesen Wochen. Es geht um ein Ereignis, das ich kaum fassen und erst recht nicht machen kann. Uns wird Warten, nüchternes Warten zugemutet, weil sich die große Ankunft, besser noch die Zukunft, die uns im Advent angesagt wird – nicht mit unserer eigenen Kraft vorbereiten und herbeizwingen lässt, sondern weil sie sich nur erwarten und annehmen lässt – wie ein freies, ungeschuldetes Geschenk. Uns wird ein Warten zugemutet, das wir nicht überbrücken können, nicht mit hektischer Vorbereitung, noch mit einer nützlichen Beschäftigung, noch mit verspieltem Zeitvertreib. Wem dies bewusst wird, der hört plötzlich die Worte aus der Schrift mit anderen Ohren:

„Bedenkt die gegenwärtige Zeit“,  und „die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe“. Der Herr selbst mahnt uns: „Seid wachsam!, Haltet Euch bereit, denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht vermutet!“.Es ist nicht damit getan, die Vorsätze des letzten Jahres einzulösen: dieses Jahr die Geschenke eben Geschenke sein zu lassen, um die Zeit des Einkaufes einzusparen; die Weihnachtsfeier an der Arbeitsstelle zu schwänzen, Aufträge abzulehnen, und sowieso früher ins Bett zu gehen.Es geht nicht um eine Korrektur des Terminkalenders – die große Gestalt des Advent, Johannes der Täufer, lädt ein zu einer inneren Korrektur, zur Umkehr, zu einer neuen Ausrichtung auf den, von dem wir glauben, dass er kommen wird und auf dessen Ankunft sich alles Warten lohnt. Nur von dort her, wird es uns möglich sein, anders und bewusster mit unserer eigenen Zeit umzugehen – über den Advent hinaus.

OStR Achim Wenzel, Hausgeistlicher