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Wenige Tage vor dem Tod der Landtagspräsidentin a. D. Barbara Stamm haben die Oberzeller Schwestern erfahren, dass die beliebte Politikerin im Sterben liegt. „Ich habe meine Mitschwestern informiert und alle Konvente gebeten, für sie um eine gute Sterbestunde zu beten“, sagt Generaloberin Sr. Katharina Ganz betroffen. „Und mir war es ein Anliegen, ihr in einem persönlichen Brief noch einmal für alles zu danken, was sie uns als Mensch, Frau, Politikerin und Christin bedeutet hat.“

 

Zu Dank verpflichtet

Barbara Stamm hinterlässt eine große Lücke in ihrer Heimatstadt Würzburg, in Franken und Bayern und für die Sozialpolitik in ganz Deutschland. „Wir Oberzeller Franziskanerinnen und unsere Mitarbeiter*innen in der Frauenarbeit sind ihr zu großem Dank verpflichtet. In all den Jahrzehnten ihrer aktiven politischen Tätigkeit als Stadträtin, Landtagsabgeordnete, Sozialministerin und Landtagspräsidentin hat sich Frau Stamm engagiert für die Belange der uns anvertrauten Mädchen und jungen Frauen eingesetzt. Auf Frau Stamm war immer Verlass. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Landtag blieb sie eine verlässliche Ansprechpartnerin für unsere Anliegen in der Sorge für Menschen in benachteiligenden Lebenssituationen.“

Auch für das Antonia-Werr-Zentrum, die heilpädagogisch-therapeutische Einrichtung der Jugendhilfe für Mädchen und junge Frauen in Trägerschaft der Oberzeller Franziskanerinnen, hat sich Frau Stamm sehr verdient gemacht. Insbesondere die langjährige Gesamtleiterin, Schwester Agnella Kestler und ihre Nachfolgerin, Geschäftsführerin Anja Sauerer, sagen über Frau Stamm: „Sie war in Notlagen und Krisen immer für uns da, hat sehr gut hingehört. Sie war immer ansprechbar, hat vermittelt, Wege aufgezeigt und beraten. Sie hat sich entschlossen eingesetzt für Mädchen und junge Frauen, insbesondere für die Heimerziehung/benachteiligte Mädchen. Wir konnten uns immer auf sie verlassen.“ Als damalige Sozialministerin habe sie zudem den Neubau und die Sanierung des Antonia-Werr-Zentrums vor 20 Jahren gefördert und das Projekt hervorragend begleitet.

Zu Irritationen in der Zusammenarbeit kam es, als Vertreter*innen von 45 Bayerischen Klöstern und Ordensgemeinschaften 2016 die Flüchtlingspolitik der CSU öffentlich kritisierten. Auch hier war es Barbara Stamm, die ihre Hand zu neuen Gesprächen ausstreckte. „Wäre es nicht besser, wir würden einmal miteinander reden statt nur übereinander in der Zeitung zu lesen?“, erinnert sich Schwester Katharina an eine Begegnung mit der damaligen Landtagspräsidentin. Einen ganzen Nachmittag lang hätten sich die Schwestern daraufhin im Kloster Oberzell kritisch mit der bayerischen Asylpolitik auseinandergesetzt und festgestellt, dass ihre persönlichen Ansichten gar nicht soweit auseinander lagen. Dadurch hätten sie eine neue vertrauensvolle Basis gefunden.

Frau Stamm habe sich aktiv gegen die Abschiebung von Geflüchteten nach Afghanistan sowie für das Kirchenasyl eingesetzt. Die Generaloberin würdigt insbesondere, dass die kämpferische Unterfränkin glaubwürdig das Christliche und Soziale in ihrer Partei verkörpert und vertreten habe. „Wenn sie bei uns im Kloster an Festen teilgenommen hat, spürte ich, wie sehr sie aus den Gottesdiensten Kraft schöpfte für ihren Einsatz.“ Auch das stellvertretende Gebet der Schwestern habe ihr viel bedeutet.

Als Vorsitzende der Bayerischen Landesstiftung habe sie sich bis zuletzt stark gemacht, dass mit den Mitteln auch Sozialprojekte gefördert werden. Zuletzt sprach Frau Stamm als Vertreterin von Kirche und Caritas am 13. Juli 2022 ein Grußwort bei der Einweihung des Hauses Antonia Werr in Würzburg. Ihre Worte bleiben Schwester Katharina als Vermächtnis in Erinnerung: „Ich denke zur Zeit viel nach über den ersten Satz in unserem Grundgesetz: 'Die Würde des Menschen ist unantastbar'. Müssten wir nicht viel mehr fragen, was der konkrete Mensch braucht, der vor uns steht, statt sofort zu fragen: 'Was darf es kosten'?“

Sr. Katharina Ganz

2022 10 07 Nachruf BarbaraStamm03Wir sagen DANKE für alles, Barbara Stamm!
Das Foto entstand bei der Einweihung des Hauses Antonia Werr im Juli 2022. Foto: Anja Mayer

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