Den Schuldvorwurf nicht akzeptieren

Nach dem umstrittenen Würzburger Kirchenasyl-Urteil werden die Oberzeller Franziskanerin Sr. Juliana Seelmann und ihr Anwalt Franz Bethäuser Rechtsmittel einlegen. Man werde den Schuldvorwurf nicht akzeptieren, erklärt Bethäuser.

„Ich beanspruche kein Sonderrecht innerhalb der Kirche und ich bin dankbar, in einer Demokratie zu leben“, betont Sr. Juliana, Menschenrechtsbeauftragte im Kloster Oberzell. Dennoch sei sie überzeugt, dass es in Einzelfällen notwendig ist – als Ultima-Ratio-Entscheidung – Menschen ein Kirchenasyl zu gewähren, um sie vor menschenunwürdiger Behandlung oder vor menschenrechtlich prekären Situationen zu schützen. „Grundsätzlich glaube ich, dass es mit Blick auf die weltweiten Migrationsbewegungen ein Umdenken in unserer Asyl- und Einwanderungspolitik benötigt. Gerade auch im Blick auf das Dublin-Abkommen.“

Gesellschaftliche Debatte am Laufen halten

Generaloberin Sr. Dr. Katharina Ganz bekräftigt: „Wir sehen weiterhin nicht, dass Sr. Juliana schuldhaft gehandelt hat“. Sie habe in Übereinstimmung mit Artikel 4 des Grundgesetzes aus Glaubens- und Gewissensgründen in zwei Härtefällen Kirchenasyl gewährt, um Gefahr für Leib und Leben und die körperliche Unversehrtheit der Frauen abzuwenden. „Im Sinne des Richters wollen wir auch die gesellschaftliche Debatte am Laufen halten“, so Sr. Katharina weiter, „dass sich unsere Gesellschaft darüber verständigt, ob Kirchenasyl weiterhin in Einzelfällen erlaubt und mit dem Gesetz in Eintracht gebracht werden kann.“

Der Würzburger Strafrichter Rene Uehlin hatte Schwester Juliana am 2. Juni nach einer über dreistündigen Verhandlung der „Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt“ schuldig gesprochen. Die Verhandlung sei so verlaufen, wie ein Richter es sich eigentlich nur wünschen könne, sagte er. Denn die objektiven Umstände seien völlig unstrittig und die Angeklagte sei „geständig“. Er sprach von einer „vorsätzlichen Straftat“ und betonte, dass die Kirche kein Sonderrecht habe. Weil Schwester Juliana zwei Frauen aus Nigeria Kirchenasyl gewährte, verurteilte der Richter sie zu einer Geldstrafe von 600 Euro, ausgesetzt auf Bewährung (zwei Jahre). Zudem muss sie 500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.

Er fälle sein Urteil im Namen des Volkes, und nicht im Namen Gottes, so der Richter. Uehlin bezeichnete es als „Unding“, dass er sich als Strafrichter mit diesem Fall überhaupt auseinandersetzen müsse. In Sachen Kirchenasyl sei Rechtsklarheit erforderlich, es brauche eine gesellschaftliche Debatte.

 Einsatz für die Menschenwürde

Das wiederum sehen die Oberzeller Franziskanerinnen genauso. Schon während der Gerichtsverhandlung hatte Schwester Juliana betont, dass sie nach ihrem Glauben und Gewissen entschieden hat. In ihrem Schlusswort sprach sie mit emotionaler, aber starker Stimme vom Sendungsauftrag der Oberzeller Franziskanerinnen und zitierte Gründerin Antonia Werr. Ihr Auftrag: Frauen eine rettende Hand zu reichen, deren Würde in Trümmern zusammengestürzt ist, die keine Lebensperspektive mehr haben, die Hilfe brauchen. „Ich glaube und bin überzeugt, dass das mein Auftrag als Christin ist und ich kann und darf nicht wegschauen.“ Dass dieser Einsatz für die Menschenwürde kriminalisiert und am Ende sogar bestraft wird, ist aus Sicht der Oberzeller Franziskanerinnen nicht nachvollziehbar.

Ob die Rechtsmittel in Form von Berufung oder Revision eingelegt werden, ist derzeit noch offen.